Ulysses Moore – Die steinernen Wächter
bekam einen knallroten Kopf. Rick, der sich umgedreht hatte, tat, als habe er nichts gehört und als sei er vollkommen in die Suche nach einem Zugang in das Bahnhofsgebäude vertieft.
Grinsend ging Jason davon.
»Also ... das stimmt überhaupt nicht, was Jason da gesagt hat!«, meinte Julia nach einer Weile zu dem rothaarigen Jungen, der ihr immer noch den Rücken zuwandte.
»Das ist doch nicht wichtig«, murmelte er, den Blick weiterhin auf die Bahnhofsfassade gerichtet.
Auf einen Punkt irgendwo zwischen Dach und Himmel starrend, ging Rick langsam auf das Gebäude zu. Er war so durcheinander, dass er nicht mehr klar denken konnte. Wenn Jason so etwas gesagt hatte, bedeutete das, dass die Zwillinge über ihn gesprochen haben mussten. Oder, was noch wahrscheinlicher war, dass sich Julia ihrem Bruder anvertraut hatte.
»Tut dir das nicht weh?«, fragte Julia ihn.
»Was denn?«, fragte er zurück und drehte sich zu ihr um.
»Die Dornen da, an deinen Beinen.«
Erst jetzt fiel Rick auf, dass er in ein Wirrwarr dorniger Ranken geraten war. Sie waren so dicht, dass er seine Füße kaum sah. Wie konnte er dort nur hineingelaufen sein, ohne es zu merken?
»Äh ... nein ...«, sagte er, um irgendwie seine Ehre zu retten. »Ich spüre sie gar nicht.« Weil er noch überzeugender wirken wollte, zeigte er zum ersten Stock des Bahnhofs hinüber. »Von dieser Stelle aus, an der ich gerade stehe, kann man das Dach und die Glaskuppel am besten sehen.«
Julia schaute dorthin, wo Ricks Finger hinzeigte, aber es fiel ihr nichts Besonderes auf. »Ja, und?«
»Äh ... ja, nichts eigentlich«, versuchte Rick sich aus der Affäre zu ziehen. »Ich glaube, es ist wirklich alles verrammelt und verriegelt.«
Vorsichtig hob er seinen rechten Fuß an und merkte, wie die Dornen durch den Stoff seiner Hose hindurch in seine Haut stachen. Doch er biss die Zähne zusammen, bemüht sich nichts anmerken zu lassen, und machte weiter. Rechter Fuß, linker Fuß, rechter Fuß, linker Fuß. Als er endlich aus dem Gestrüpp herausstakste, fühlte es sich an, als habe er sich beide Beine vom Knie abwärts verbrannt.
Als Jason von seiner Erkundung des Tunnels zurückkehrte, versuchten Julia und Rick gerade die Bretter zu lösen, mit denen die Tür neben dem Fahrkartenschalter zugenagelt worden war.
Rick war es gelungen, ein paar verrostete Nägel herausspringen zu lassen. Keuchend und schnaufend zog und ruckte er mit aller Kraft an einem schmalen, ungefähr einen Meter langen Brett.
»Eine sinnlose Suche«, berichtete Jason, dessen Schuhe schwarz vor Ruß waren. »Der Tunnel ist komplett leer. Und eigentlich ist es gar kein richtiger Tunnel, sondern nur ein Loch, das mitten unter dem Hügel einfach endet. Seid ihr hier weitergekommen?«
»Abgesehen von zwei Nägeln stehen wir noch ziemlich am Anfang«, stellte Julia fest, hob die beiden Nägel auf und zeigte sie ihm.
»Wir bräuchten Werkzeug, um hier reinzukommen«, erklärte Rick.
»Hast du denn nichts mitgebracht? Nicht einmal das Seil, das du sonst immer dabeihast?«
Erst jetzt merkte Rick, dass er tatsächlich nicht daran gedacht hatte, für alle Fälle eine Ausrüstung mitzunehmen. »Nein, dieses Mal habe ich nichts dabei. Und wir haben auch weder das Wörterbuch der vergessenen Sprachen noch ...«, gestand er.
»Wir haben wirklich nichts mitgenommen«, bestätigte Julia, die ebenfalls darüber erstaunt war, wie unvorbereitet sie an diesem Tag waren. »Wir sind auf unserer Suche nach Black Vulcano mit leeren Händen aufgebrochen. Wie kann man nur so dumm sein!«
»Meine Sachen hat immer noch der Direktor«, erinnerte Jason sie.
»Vielleicht sollten wir kurz zu mir nach Hause gehen«, schlug Rick vor. »Dort könnten wir uns wenigstens einen Hammer holen.«
Jason lief ein paar Schritte hin und her und betrachtete dabei den Bahnhof. »Es wäre schade, wenn wir schon jetzt gehen müssten ...«
»Es dauert ja nicht lange.«
»Wohnte Black hier?«, fragte Jason nachdenklich.
»Ja, oben im ersten Stock.«
»Aber er arbeitete gerne mit dem Feuer. Eine gefährliche Sache.«
»Soll das heißen, dass jeder Bäcker in ständiger Lebensgefahr schwebt?«, warf Rick ein und brachte damit Julia zum Lachen.
Jason schüttelte den Kopf. »Nein, du hast mich nicht verstanden. Was ich meine, ist, dass Black sicher nicht im ersten Stock des Bahnhofsgebäudes mit Feuer arbeiten konnte.«
»Da hast du recht.«
»Aber wo arbeitete er dann?«, überlegte Jason. Er sah sich aufmerksam um. »Es
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