Ulysses Moore – Die steinernen Wächter
zurück, öffnete den Schaltkasten der Alarmanlage und anstatt sie mit der Fernbedienung auszuschalten schlug sie mit den Fäusten so lange auf die Tasten ein, bis die Sirene verstummte und die Laserstrahlen erloschen.
Sie atmete tief durch, ging wieder in die Küche, riss die Kühlschranktür auf und holte eine Flasche teuren biologischen Orangen-Karotten-Limettensaft heraus.
Eine halbe Stunde später hatte sie sich einigermaßen beruhigt. In einen weichen violetten Bademantel gehüllt setzte sie sich an den gläsernen Couchtisch in ihrem Wohnzimmer. Ihr Haarbalsam verbreitete einen exquisiten Maracujaduft, in den sich das zarte Aroma ihrer Kokos-Bodylotion mischte. In Reichweite stand ein rotes Kristallglas mit einer mineralstoffreichen Sportlimonade.
»Gut«, sagte sie laut, auch wenn im Grunde nichts gut gelaufen war, »was mache ich jetzt?«
Sie zwang sich das Glas zu leeren und gleichmäßig zu atmen und zog anschließend ihr zehnminütiges Entspannungsprogramm durch. Danach überlegte sie, wie sie am besten vorgehen sollte. Ihr wichtigstes Vorhaben war immer noch: sich Zutritt zur Villa Argo zu verschaffen. Inzwischen aber war ein weiterer Plan dazugekommen: Manfred in der Luft zu zerreißen.
Oblivia überlegte, wo sie sich die Telefonnummer der Agentur notiert hatte, die ehemalige Sträflinge vermittelte und über die sie Manfred eingestellt hatte. »Am wirkungsvollsten ist es wohl, wenn ihm ein ehemaliger Kollege eine Lektion erteilt«, zischte sie.
In der Hoffnung, dort ihr Adressbuch zu finden, ging sie zum Telefon hinüber und merkte, dass das Lämpchen des Anrufbeantworters blinkte. Sie hatte drei neue Nachrichten.
Biep.
»Guten Tag, Miss Newton«, erklang eine Stimme, die ihr irgendwie vertraut war. »Entschuldigen Sie die Störung. Hier ist Gwendaline Mainoff.«
Mir kommt der Name bekannt vor, dachte Oblivia.
»Modische Schnitte und Frisuren. Ihre Friseurin.«
Ach ja, dachte Oblivia. Aber du bist nicht meine Friseurin, du bist Kilmore Coves Friseurin.
»Ihr Chauffeur ist hier bei mir, bei mir zu Hause«, fuhr Gwendaline fort.
Oblivias Hände verkrampften sich zu Fäusten. »Wie bitte?«
»Na ja, ich denke jedenfalls, dass er es ist. Er spricht ständig von Ihnen. Genau genommen spricht er nicht, sondern er fantasiert, weil er hohes Fieber hat. Ich glaube nicht, dass es ihm gut geht. Als ich ihn gestern Abend am Strand gefunden habe, war er völlig durchnässt. Und ...«
Biep.
Oblivia drückte auf die Taste des Anrufbeantworters, um die zweite Nachricht abzuhören.
»Ich bin es wieder, entschuldigen Sie. Vorhin war das Band zu Ende. Ich weiß schon, ich rede immer zu viel, aber ... Jedenfalls wollte ich Ihnen sagen, dass Sie kommen können, wann Sie wollen, denn er ist mittlerweile ruhiger geworden. Ich habe ihn hier bei mir im Wohnzimmer aufs Sofa gelegt. Ich wohne über dem Laden, Sie wissen sicher, wo er ist. Ich habe ihm Schlaftabletten gegeben und er scheint jetzt etwas besser zu schlaf...«
Biep.
»Ich verspreche Ihnen, dass das hier der letzte Anruf ist. Es ist nur so, dass Sie doch nicht einfach immer vorbeikommen können. Ich gehe um sechs aus dem Haus. Eine Kundin hat mich angerufen, sie möchte, dass ich ihr zu Hause die Haare schneide. Ich kann das leider nicht absagen, es ist eine neue Kundin. Mrs Covenant, haben Sie schon von ihr gehört? Die, die in die Villa oben auf den Klippen eingezogen ist. Aber bis kurz vor sechs können Sie jederzeit kommen. Also entschuldigen Sie bitte nochmals ...«
Biep.
Oblivia fühlte sich wie vom Blitz getroffen. Es interessierte sie im Grunde nicht, warum die Friseurin einen durchnässten Manfred am Strand gefunden und warum sie ihn mit zu sich nach Hause genommen hatte. Sie überlegte auch nicht lange, was der im Fieber fantasierende Manfred gesagt haben könnte. Und was die Friseurin möglicherweise davon verstanden hatte.
Die einzige Information, die sie wirklich beschäftigte, war das, was Gwendaline beim dritten Anruf gesagt hatte: »Ich muss Mrs Covenant bei ihr zu Hause die Haare schneiden.«
Mrs Covenants Zuhause, das war die Villa Argo.
Um sechs Uhr.
In Oblivias Kopf keimte eine wahnwitzige, großartige Idee. Ihre Mundwinkel bogen sich zu einem triumphierenden Lächeln nach oben und in ihrer Kehle entstand ein Röcheln, aus dem sich im Laufe einiger Sekunden ein heftiger, krampfartiger Lachanfall entwickelte, der ihr Tränen in die Augen trieb.
»Wie hat er das nur geschafft?! Dieser unglaubliche Trottel! Oh, Manfred, du
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