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Ulysses Moore – Die steinernen Wächter

Ulysses Moore – Die steinernen Wächter

Titel: Ulysses Moore – Die steinernen Wächter Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Pierdomenico Baccalario
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schlichen lautlos auf Rick und Julia zu.
    »Kein Wort«, zischte Manfred und hob Jason hoch, als wäre er eine Stoffpuppe. »Oder ich drehe ihm den Hals um.«
    Oblivia eilte zum Schreibtisch und fuhr mit der Hand zärtlich über die vier Schlüssel der Tür zur Zeit.
    »Du wolltest wissen, was mit Oblivia ist, Kleiner?«, flüsterte sie. »Schau nur, es ist ganz einfach: Oblivia möchte jetzt sofort los.«



Rasch glitt die kleine, leichte
Annabelle
über das ruhige Wasser dahin und entfernte sich immer weiter von der Bucht von Kilmore Cove. Kalypso saß vorne im Bug und suchte das Meer ab.
    »Dort drüben«, sagte sie und zeigte auf einen winzigen hellen Fleck, den offenbar nur sie zu erkennen vermochte. Sie spürte keinerlei Unsicherheit, sondern fühlte, in welche Richtung sie fahren mussten, so als stehe sie mit dem Wasser in einer geheimen, stummen Verbindung.
    Mr Covenant und der Architekt Homer sahen einander besorgt an. Natürlich war es völlig in Ordnung, einer Dame beizustehen, die Hilfe brauchte. Es war auch in Ordnung, abends noch ein bisschen aufs Meer hinauszurudern. Und es war auch nicht weiter schlimm, wenn man sich dabei ein wenig von der Küste entfernte. Aber man sollte doch dann wenigstens wissen, warum man es eigentlich tat und wie weit man denn noch hinausfahren musste.
    »Entschuldigen Sie, Miss Kalypso«, sagte Mr Covenant schließlich, ohne dabei mit dem Rudern aufzuhören. »Könnten Sie uns vielleicht doch erklären, was wir hier gerade machen?«
    Die zierliche Frau drehte sich nicht um und schaute weiter angestrengt aufs Meer hinaus. »Wir suchen einen Freund.«
    »Ja, sicher«, erwiderte Mr Covenant. »Aber warum suchen wir ihn gerade hier?«
    »Weil er hier irgendwo ist.«
    Homer beugte sich bei jedem Ruderschlag ein wenig vor, um seinen Riemen mit aller Kraft durchs Wasser ziehen zu können. »Ist denn dieses ›Hier‹ noch sehr weit?«
    Kalypso hörte den gereizten Ton heraus und wandte sich dieses Mal zu ihnen um. »Glauben Sie mir bitte, meine Herren: Ich bin nicht verrückt.«
    »Das hat doch auch niemand behauptet!«, rief der Architekt aus und ließ sich deutlich anmerken, dass er genau das vermutete.
    »Aber Sie denken es. Das kann ich von Ihren Gesichtern ablesen. Und ich muss zugeben, dass es vernünftig betrachtet so aussieht, als hätten Sie recht. Es ist nur einfach so, dass ich spüre , dass etwas passiert ist. Und dass es hier in der Nähe passiert ist. Ich kann Ihnen darüber leider nicht mehr sagen und Sie nur bitten, noch ein paar Minuten Geduld zu haben. Und noch ein bisschen weiter zu rudern.« Sie lächelte schwach. »Ich mache übrigens ein ganz ausgezeichnetes Kompott. Und ich verspreche Ihnen, dass ich nach unserer Rückkehr sofort welches für Sie kochen werde. Als kleine Entschädigung, sozusagen.«
    »Wenn das so ist, Miss«, antwortete Mr Covenant, »dann sehe ich nicht, wie wir uns Ihrer Bitte verweigern können. Nicht wahr, Homer?«
    »Auf gar keinen Fall«, murmelte der Architekt, alles andere als überzeugt. Er dachte darüber nach, was für ein seltsamer kleiner Ort dies war: Man hatte ihn dafür bezahlt, den Umzug möglichst lange hinauszuzögern.
    Dann war er im Hotel belagert worden, weil man ihn für einen gewissen Ulysses Moore gehalten hatte, und er hatte aufgrund eines umgestürzten Baumes und unzähliger Schlaglöcher in der Straße einen Lastwagen verloren. Und jetzt, als krönender Abschluss sozusagen, war er von einer Verrückten dazu gebracht worden, aufs offene Meer hinauszurudern und nach einem Freund von ihr zu suchen, der sich angeblich in Schwierigkeiten befand. »Man kann kaum noch etwas sehen ...«, stellte er fest.
    Als hätte er ihn gehört, schaltete sich in diesem Augenblick der Scheinwerfer des Leuchtturms an.
    »Besser so?«, fragte ihn Mr Covenant spöttisch.
    »Da!«, rief Kalypso plötzlich und zeigte auf etwas im Wasser vor ihnen. »Sehen Sie ihn?«
    »Was?«
    Mr Covenant und Homer hörten zu rudern auf und schauten in die Richtung, in die die Buchhändlerin zeigte. Doch sie sahen nur den Horizont und darunter und darüber das Meer und den Himmel, die beide immer dunkler wurden.
    Dann zog der Lichtkegel des Leuchtturms an ihnen vorbei und beleuchtete etwas Schwarzes, Lebendiges, das wie ein riesiger Vogel aussah und keine zwanzig Meter von ihnen entfernt ins Wasser hineinstürzte.
    »Die Schwanzflosse eines Wals!«, rief Mr Covenant. »Habe ich richtig gesehen? War das wirklich ein Wal?«
    »Ja!«, antwortete Kalypso.

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