â Schlüssel in der Tasche gefunden. Wohnung verlassen.
8:41 Uhr â Festgestellt, dass Mrs. Friedlanders New York Chronicle (ja, lieber George, meine Nachbarin abonniert unseren gröÃten Konkurrenten. Meinst du nicht auch, dass wir uns allmählich etwas einfallen lassen sollten, um mehr ältere Leser zu erreichen?) noch vor ihrer Wohnungstür liegt. Normalerweise ist sie ab sechs Uhr auf den Beinen, geht mit dem Hund raus und nimmt beim Nachhausekommen ihre Zeitung mit hinein.
8:42 Uhr â Festgestellt, dass Mrs. Friedlanders Hund immer noch bellt. Hinübergegangen und an die Tür geklopft, um zu sehen, ob alles in Ordnung ist. (Manche von uns New Yorkern kümmern sich tatsächlich um ihre Nachbarn, George. Davon wusstest du bislang vermutlich nichts, weil Geschichten über Menschen, die sich für ihre Nachbarn einsetzen, auflagentechnisch uninteressant sind.) Die Berichterstattung im Journal , habe ich festgestellt, tendiert eher zu Artikeln über Nachbarn, die aufeinander schieÃen, als zu solchen, die sich gegenseitig Zucker ausborgen.
8:45 Uhr â Auch nach mehrmaligem Klopfen öffnet Mrs. Friedlander nicht. Paco, ihre Deutsche Dogge, bellt mit neuer Energie.
8:46 Uhr â Türknauf von Mrs. Friedlanders Wohnung inspiziert â festgestellt, dass die Tür unverschlossen ist. Reingegangen.
8:47 Uhr â Von Dänischer Dogge und zwei Siamkatern begrüÃt worden. Keine Spur von Mrs. Friedlander.
8:48 Uhr â Mrs. Friedlander mit dem Gesicht nach unten niedergestreckt auf dem Wohnzimmerteppich gefunden.
Alles klar, George? Die Frau lag mit dem Gesicht nach unten auf ihrem Wohnzimmerteppich! Was sollte ich machen, George? Hm? Vielleicht Amy Jenkins von der Personalabteilung anrufen?
Nein, George. Der Erste-Hilfe-Kurs, zu dem du uns auÃerhalb der Arbeitszeit gezwungen hast, hat sich bezahlt gemacht: Dank ihm konnte ich nämlich feststellen, dass Mrs. Friedlander nicht nur einen Puls hatte, sondern auch atmete. Also habe ich den Notruf gewählt und gewartet, bis der Krankenwagen kam.
Zusammen mit dem Krankenwagen kam übrigens auch die Polizei, George. Und jetzt stell dir vor, was die Polizisten sagten! Sie sagten, es sähe ganz danach aus, als sei Mrs. Friedlander niedergeschlagen worden. Von hinten, George. Irgendein Spinner hat der alten Dame eins übergezogen!
Ist das zu fassen? Wer würde so etwas einer Achtzigjährigen antun?
Ich weià nicht, was aus dieser Stadt werden soll, wenn alte Damen noch nicht einmal in ihrer eigenen Wohnung sicher sind. Aber ich sage dir: Das gibt eine tolle Story, und ich glaube, die sollte von mir geschrieben werden.
Und, was sagst du, George?
Mel
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Von: George Sanchez <
[email protected] >
An: Mel Fuller <
[email protected] >
Betreff: Was man sich hier so alles erzählt
Die einzige tolle Story ist die, die ich NICHT gehört habe. Und zwar die, warum du, nur weil deine Nachbarin eins übergebraten bekommen hat, nicht in der Lage bist, ins Büro zu kommen oder wenigstens anzurufen und Bescheid zu geben. Diese Story würde ich wirklich gerne hören.
George
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Von: Mel Fuller <
[email protected] >
An: George Sanchez <
[email protected] >
Betreff: Wo ich war
George, du bist so was von gefühllos. Ich habe meine Nachbarin niedergeschlagen in ihrem Wohnzimmer gefunden. Sie war Opfer eines brutalen Ãberfalls, und deiner Meinung nach hätte meine einzige Sorge sein sollen, meinen Arbeitgeber anzurufen, um zu erklären, warum ich zu spät komme?
Tut mir leid, George, aber dieser Gedanke kam mir nun wirklich nicht in den Sinn. Immerhin ist Mrs. Friedlander meine Freundin. Eigentlich wollte ich mit ihr im Krankenwagen ins Krankenhaus fahren, aber es gab da ein Problem mit Paco â genauer gesagt: ein groÃes Problem mit Paco. Paco ist Mrs. Friedlanders Deutsche Dogge, George, und wiegt locker sechzig Kilo. Das ist mehr als ich.
Und er musste mal. Dringend.
Also bin ich mit ihm rausgegangen, und danach habe ich ihn auch noch gefüttert und ihm Wasser gegeben. Genauso wie Tweedledum und Mr. Peepers, ihren Siamkatern (Tweedledee ist leider letztes Jahr von uns gegangen). Währenddessen haben die Polizisten die Wohnungstür auf Einbruchsspuren untersucht. Aber es gab keine, George, stell dir das mal vor!
WeiÃt du, was das