Um die Wurst (German Edition)
und steckte sie in seine Fotoweste. Gleich würde er sie zu Hause in eine Pfanne mit Tomatensoße werfen.
Seine Finger rochen noch immer nach Thymian. Immer wieder führte er sie während der Fahrt nach Oberrotweil zur Nase, als könnte der Geruch ihm die Erdung verleihen, die er gerade zu verlieren drohte. Nach jedem Einsatz erging es ihm so. Mittlerweile waren die Anfälle stärker geworden. Zu Anfang hatte er gedacht, es wären die Bilder der Trauer um Rohina, die ihn heimsuchten. Jetzt merkte er, dass er tiefer angeschlagen war, als er zugeben wollte.
Wieder inhalierte er. Wieder gab der Thymian Halt.
Er bog in die Bruckmühlenstraße ein und steuerte auf sein Atelier zu. Auf der Rampe vor dem Eingang saß eine rothaarige Frau und ließ die Beine baumeln. Es war Bärbel, Killians Jugendliebe, die Mutter ihrer gemeinsamen Tochter Swintha. Sie zog nervös an einer Zigarette und drückte sie in dem Blumentopf aus, in dem bereits mehrere Kippen ihr Ende gefunden hatten.
Killian stieg aus dem Defender und ging auf sie zu. Sie lächelten sich stumm an, dann schwang er sich neben Bärbel auf die Rampe und ließ ebenfalls die Füße baumeln. So saßen sie und schwiegen eine Weile. Solange sie nichts sagten, stritten sie schon nicht. Und Killian wollte keinen Streit. Er genoss den Augenblick der Stille und stellte sich vor, wie es wohl gekommen wäre, wenn sie sich damals nicht getrennt hätten.
»Was von Swintha gehört?«, fragte Bärbel schließlich.
»Sie wird in Lappland sein.«
»Also nichts.«
»Nein.«
»Warum sie ausgerechnet nach Lappland muss.«
»Waren wir doch auch.«
»Eben. Man sollte nie das tun, was die Eltern getan haben. Die Jungen müssen eigene Wege gehen.«
»Vielleicht tut sie das ja? Vielleicht ist sie schon gar nicht mehr in Lappland, sondern badet in den Geysiren Islands? Oder taucht in der Karibik nach Korallen?«
»Also weißt du doch was. Rück raus damit.« Bärbel schielte misstrauisch zu ihm rüber.
»Warum sollte ich mehr wissen als du? Sie hat sich nicht bei mir gemeldet.«
»Aber du könntest trotzdem etwas über sie wissen. Bei deinen Kontakten.«
»Hör auf. Was soll das denn?«
»Du weißt, wovon ich rede. Zwei Monate warst du weg. Und von dir habe ich ebenso wenig gehört wie von Swintha. Abgetaucht, der Herr Spion.«
»Bärbel, es reicht. Es ist meine Arbeit, in Krisengebieten Fotos zu machen. Und wenn ich im Einsatz bin, habe ich mich darauf einzulassen. Das sind getrennte Welten.«
»Ich dachte, du wärst zurückgekommen, weil du die Schnauze davon voll hattest? Fehlt es dir am Ende doch.«
»Ich bin kein Beamter, der sich ein Sabbatical leisten kann. Ich muss mein täglich Brot auf freier Wildbahn verdienen.«
»Und trotzdem stehst du auf dem Lohnzettel des Staates. Und bestimmt nicht nur auf einem. Wer ist dein Auftraggeber?«
»Die Menschenrechte«, sagte Killian trocken.
Bärbel lachte laut auf. »Der war nicht schlecht. Wenn das so ist, möchte ich dich auch anheuern.«
»Für die nächste Lehrerkonferenz?«
»Nein, für die Tierrechte.«
Killian hob fragend die Brauen.
»Artgerechte Tierhaltung. Tierwürdiges Leben und Schlachten.«
»Und? Ich verstehe nicht. Bist du wieder bei den Grünen?«
»Scheiß auf die Grünen. Tierschutz. Bürgerinitiative der Vegetarier.«
»Seit wann isst du kein Fleisch mehr?«
»Seit mir Erik die Augen geöffnet hat.«
»Wer ist Erik?«
»Erik Schwarz. Unterrichtet bei uns. Geschichte und Deutsch. Er kam erst Anfang dieses Schuljahres ans MSG . Bringt frischen Wind in den staubigen Laden.«
Killian sah Bärbel eindringlich an.
»Ich hab nichts mit ihm, guck mich nicht so an. Er ist nett, aber nicht mein Typ.«
»Weil er vermutlich zu nett ist. Das erträgst du nicht.«
»Du musst es ja wissen.«
»Wie kein Zweiter.«
»Was bildest du dir eigentlich ein?«
»Friede«, versuchte Killian das Tempo herauszunehmen.
»Friede«, schlug Bärbel ein. »Also machst du Fotos für uns?«
»Was für Fotos? Und wo?«
»Im Schlachthof in Freiburg.«
»Die lassen mich da keine Fotos schießen.«
»Klar, sonst könnten wir sie ja auch selbst machen.« Bärbel versuchte sich an dem charmantesten Lächeln, das sie im Repertoire hatte, und klimperte mit den Wimpern.
»Das ist strafbar«, sagte Killian.
»Nicht, wenn du dort arbeitest. Hier, die suchen gerade Leute.« Sie zog einen Zeitungsausschnitt aus der Tasche ihrer Jeans und hielt ihn Killian vor die Nase.
»Und warum tritt der nette Erik den Job nicht
Weitere Kostenlose Bücher