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Um die Wurst (German Edition)

Um die Wurst (German Edition)

Titel: Um die Wurst (German Edition) Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Michael Moritz
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Stecher im Eingang mit der Aufschrift »Schwein« verschwand, nahm der andere das Tor für »Rinder«.
    Ginter sah ihnen noch einen Moment nach, dann wollte er in sein Büro zurück.
    Stark passte ihn ab. »Was war da los?«, fragte sie.
    »Nix von Bedeutung. Das regle mir unter uns.«
    »Ich würde trotzdem gerne wissen, wie die beiden heißen.«
    »Spiegelhalter und Erdogan. Hitzköpf. Bei dene klöpfts immer mal wieder. Ich weiß gar nit, wie die des hinkriege. Die schaffe nämlich getrennt. Spiegelhalter sticht Säue, und Erdogan schießt Rinder. Anscheinend habe sie noch zu viel Zeit zwische de einzelne Tiere.«
    Stark sah auf ihre Liste. Erdogan fehlte. »Hier steht kein Erdogan.«
    »Der isch kein feschter Schießer. Der macht nur Springer. Brodbeck hat Urlaub, macht sich ä Lenz auf Thailand, und Saier hat sich heut Morge krankgmeldet.«
    »Warum sagen Sie mir das jetzt erst?«
    »So wichtig kann’s ja nit sein, sonscht hätte Sie mich danach gfragt. Ich muss jetzt arbeite. Schöne Tag noch.«
    »Moment. Geben Sie mir bitte Adresse und Telefonnummer von dem, der sich krankgemeldet hat.«
    »Saier. Hab ich nit im Kopf. Und wenn er noch länger schwächelt, brauch ich seine Nummer gar nimmer. Dann kann er bei Aldi Wurscht ins Kühlfach räume.«
    »Die Nummer.« Stark blieb hartnäckig.
    »Frage Sie Britta Vogt, meine Sekretärin. Ich muss nachgucke, was die beide Streithähn veranstalte.« Ginter ließ sie stehen und verschwand im Schlachthaus.
    Stark ging in das Gebäude, in dem sich der Bürotrakt befand. Vorhin, als sie mit Ginter gesprochen hatte, war keine Sekretärin hinter dem Schreibtisch gesessen. Jetzt ordnete eine attraktive Frau in ihrem Alter Belege. Sie geizte nicht mit ihren weiblichen Reizen. Das Fleisch saß bei ihr dort, wo es sitzen musste. Gut im Futter, aber nicht fett.
    »Frau Vogt. Ich bräuchte Adresse und Telefonnummer von Herrn Saier.«
    »Moment. Das haben wir gleich.« Frau Vogt glitt mit der Computermaus über das Pad, klickte dreimal, sagte: »Hirschengarten 7« und nannte eine Telefonnummer.
    Stark notierte sich die Daten, lächelte, wollte gehen, hielt aber inne. »Kannten Sie Erik Schwarz?«, fragte sie.
    Die Sekretärin hielt ihren Blick auf den Bildschirm gerichtet. Anscheinend hatte sie nichts gehört.
    »Frau Vogt. Ich habe Sie etwas gefragt.«
    Britta Vogt sah verstört auf. »Was? Entschuldigung. Ich war in Gedanken. Eine Buchung, die ich versäumt habe.«
    »Kannten Sie Erik Schwarz?«
    »Nein. Nicht wirklich.«
    »Was heißt das?«
    »Na ja. Er war der Anführer der Demonstranten, die sich hier manchmal am Tor anketten. Daher weiß ich, wer er ist. Aber kennen, nein. Kennen, ich meine gekannt, habe ich ihn nicht.« Britta Vogt sah wieder auf den Bildschirm. »Schrecklich, dass einer so sterben muss.« Sie bemühte sich, ihre Gesichtsmuskeln unter Kontrolle zu halten. Wenigstens ein Mensch, der noch Mitgefühl zeigte.
    »Wiedersehen«, sagte Stark und verließ das Büro. Sie ging über den Hof, stieg in ihren Wagen, legte eine selbst gebrannte CD von Slipknot ein, klopfte sich eine Zigarette aus dem zerknautschten Päckchen und startete den Motor. Da sie kein Feuer fand und der Zigarettenanzünder keine Glut spendete, fluchte sie zum ersten Mal an diesem Tag. Sie schrie so laut, dass es an ihren Stimmbändern kratzte.
    Es war ihr egal. Sie schrie ein zweites und ein drittes Mal, dann war es gut.
    *
    Killian war nicht direkt nach Hause gefahren. Das Licht war zu kostbar, als dass er es achtlos mit der Zeit hätte vergehen lassen können. Er war auf die Schelinger Matten gestiegen und hatte Fotos geschossen. Ein Schäfer hatte seine Herde über die Wiesen getrieben.
    Die Idylle schrie nach Zerstörung. Killian drückte ab, fing die weißwolligen Tiere ein und hielt sie digital fest. Gleichzeitig färbten sich in seiner Phantasie bei jedem Foto, das er schoss, die Felle rot, als liefe rote Tinte aus einem Fass aus und legte einen Filter über das gesamte Bild.
    Killian riss sich die Kamera vom Auge und taumelte ins Gras. Er rang nach Atem, starrte in den wolkenlosen Himmel und hoffte, dass das Blau sich nicht auch einfärbte. Er hatte Glück. Das Blau hielt.
    Langsam richtete er sich wieder auf. Der Schäfer hatte seine Herde weitergetrieben. Bald wäre sie hinter dem Hügel verschwunden und damit auch Killians Verzerrung.
    Er nahm ein Kraut zwischen die Finger und zerrieb es. Dann roch er daran und inhalierte den Duft von wildem Thymian. Er zupfte sich ein paar Zweiglein

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