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Um Leben Und Tod

Um Leben Und Tod

Titel: Um Leben Und Tod Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Barbara Hoehn , Ortwin Ennigkeit
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Polizeivize »nicht an den Pranger« zu stellen, er könne wahrscheinlich schon bald mit einer Beendigung des staatsanwaltschaftlichen Ermittlungsverfahrens rechnen. Es gebe Bestrebungen innerhalb der Anklagebehörde, die Ermittlungen gemäß § 153 a der Strafprozessordnung gegen Zahlung einer Geldauflage wegen geringer Schuld einzustellen. Diese Sanktion gelte nicht als Bestrafung, damit wäre Daschners Verhalten, der dem Entführer des ermordeten Jakob von Metzler in einer »Notsituation« zur Erzwingung einer Aussage Gewalt angedroht hatte, juristisch gerechtfertigt. Gleichzeitig würde durch die Geldbuße aber möglichen Nachahmern signalisiert, dass das grundsätzliche Folterverbot der deutschen Rechtsordnung, zu der auch die Androhung gehöre, nicht einfach übergangen werden dürfe. Auch ein Sprecher des Justizministeriums habe die Einstellung gegen Geldauflage als »denkbar« bezeichnet.
    In unseren Ohren klang das wie Hohn. Es war doch gerade die Staatsanwaltschaft, die den Polizeivizepräsidenten und damit auch mich mit ihrer unzureichenden rechtlichen Bewertung bezüglich Aussageerpressung weltweit als »Verbrecher« an den Pranger gestellt hatte, die damit auch die Basis dafür geschaffen hatte, dass wir als »Folterknechte der Nation« die Schlagzeilen der Medien beherrschten. Selbst wenn eine Verfahrenseinstellung gegen Geldauflage angeboten worden wäre – was nie der Fall war –, welchen Preis hätten wir dafür bezahlen müssen?
    Hätten wir bekennen müssen, dass es falsch war, zu versuchen, das Leben des entführten Kindes zu retten, hätten wir uns bei dem Kindsmörder Gäfgen entschuldigen müssen? Dieser Preis wäre zu hoch und weder mit unserem Gewissen vereinbar noch gegenüber Jakob und seiner Familie vertretbar gewesen.
    Damals hofften wir auch noch, dass wenigstens das Gericht eine »gerechte« Entscheidung treffen und dem medialen wie politischen Druck widerstehen würde.
    Aber dazu bedarf es eines kurzen Ausflugs in das Recht.
    Die Weimarer Verfassung von 1919 verpflichtete die Gerichte zur Achtung der Gesetze: »Die Richter sind unabhängig und nur demGesetz unterworfen.« (Art. 102)
    Nach einem dieser Gesetze handelte Roland Freisler, Präsident des Volksgerichtshofes und als »Blutrichter« berüchtigt, als er im Februar 1943 von Berlin nach München eilte, um die Geschwister Hans und Sophie Scholl zum Tode zu verurteilen und bereits einen Tag später aufs Schafott zu schicken.
    Die Väter unseres Grundgesetzes haben daraus gelernt. Sie legten fest: »Die Gesetzgebung ist an die verfassungsmäßige Ordnung, die vollziehende Gewalt und die Rechtsprechung sind an Gesetz und Recht gebunden.« (Art. 20 Abs. 3 GG)
    Â»Recht ist immer auf Moral gegründet und auf moralische Ziele gerichtet; denn man kann Recht nicht anders definieren als eine Ordnung, die ihrem Sinn nach dazu bestimmt ist, der Gerechtigkeit zu dienen.« (Gustav Radbruch, Süddeutsche Juristenzeitung 1946, S. 107)
    Auch das Bundesverfassungsgericht hat dazu in seinem Beschluss vom 14. Februar 1973 grundsätzliche Aussagen getroffen. »… Rechtsprechung und vollziehende Gewalt sind an ›Gesetz und Recht‹ gebunden« (Art. 20 Abs. 3 GG). Damit wird nach allgemeiner Meinung ein enger Gesetzespositivismus abgelehnt.
    Gesetz und Recht decken sich nicht immer. Das Recht ist nicht mit der Gesamtheit der geschriebenen Gesetze identisch.
    In einfachen Worten gesagt, gibt es in der Rechtsphilosophie zwei Schulen: den Rechtspositivismus und das Naturrecht.
    Der Rechtspositivismus trennt zwischen Recht und Moral und verlangt absoluten Gehorsam gegenüber dem Gesetz, unabhängig davon, ob es gerecht oder ungerecht ist.
    Durch die negativen Erfahrungen mit dem Rechtspositivismus im Nationalsozialismus wurde die Stellung der Anhänger des Naturrechts in der Nachkriegszeit gestärkt, da dieses die Menschenwürde besser schützt. Als Variante des Naturrechts gilt das Vernunftrecht. Beide Schulen sehen sich aber immer in der Gegenposition zum reinen Rechtspositivismus.
    Â»Naturrecht« bezeichnet ein Rechtssystem, das davon ausgeht, dass es unveränderbare Rechtsprinzipien gibt, die vom Menschen nicht verändert werden können und über dem vom Menschen geschaffenen positiven Recht stehen.
    Zu diesen unveräußerlichen Rechten gehören in erster Linie das Recht auf

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