Um Mitternacht am schwarzen Fluß
„Brauchen Sie nur eine Denkpause? Oder deutet Ihre Frage an, daß Sie
uns nicht glauben?“
„Was?“ Er hob den Blick. „Ach so. Das
müßt ihr genauer erzählen. Kommt mal rein!“
Sie folgten ihm in einen schmucklosen
Büroraum. Reklamekalender hingen an der Wand — und eine Büro-Ordnung nach dem
Motto: Der Chef hat immer recht. Auf einer riesigen Landkarte waren
Verbindungswege markiert: von Lissabon bis Beirut, von Bova Marina (Süditalien) bis zum Nordkap.
Kambärt setzte sich hinter einen
zerkratzten, mit Papierkram überladenen Schreibtisch.
„Nun mal genau.“
Tim überließ Karl den Bericht. Der war
dabei gewesen.
Kambärt schüttelte immer wieder seinen
Pferdeschädel.
Als Karl durchs Fenster auf den Brummi
mit der eingedellten Hecktür zeigte, schlug Kambärt mit der Faust auf den
Tisch.
„Wollt ihr mich für dumm verkaufen?“
raunzte er. „Oder was? Der Wagen ist vorhin aus Italien gekommen. Aus Genua.
Durch den Naturpark zu fahren — was er übrigens gar nicht darf - wäre ein
hirnrissiger Umweg. Es ist völlig unmöglich.“
„Ich beeide“, sagte Karl, „was ich
gesehen habe vor jedem Gericht.“
„Ich auch“, sagte Gaby. „Und Tanja
sowieso.“
„Ihr müßt euch irren.“ Kambärt blieb
stur.
„Daß Sie sich irren“, schaltete sich
Tim ein, „ist wohl völlig unmöglich, wie? Halten Sie uns für Kasper? Sie
bestreiten die Sache einfach, statt Ihre Fahrer — es müssen ja zwei gewesen
sein — zu fragen. Das ist doch das mindeste.“
„Was?“
Offenbar sein Lieblingswort, dachte Tim
und fuhr fort: „Wir wollten fair sein, erst mit Ihnen reden und nicht gleich
die Polizei mitbringen. Aber das war wohl ein Fehler.“
„Nein, nein! Schon in Ordnung.“
Er griff zum Telefon, ließ aber die
Hand — eine Pratze — wieder sinken.
„Waren bei Genua, wie ich schon sagte.
Haben Käse geholt. Der Wagen wurde bereits entladen. Die Fahrer — das sind
Frank Werdy und Carlo Riscanto. Zuverlässige Leute. Es gibt keinen Grund für
sie, dort im Naturpark rumzugurken. Was die hinter sich haben — da sind sie
froh, wenn sie ankommen.“
„Der Unfall“, sagte Tim, „war
möglicherweise eine Folge von Übermüdung. Das kennt man ja. Total abgeschlaffte
Fernfahrer werden nach 20 und mehr Stunden hinter dem Lenkrad zur Riesengefahr
für alle anderen Verkehrsteilnehmer.“
„Was?“
„Also menschliches Versagen.“ Tim ließ
sich nicht beirren. „Denn weshalb sonst sollten die beiden so rücksichtslos
fahren? Gleichwohl! Passiert ist passiert und die Tretmühle Schrott. Ob Gaby,
Tanja und Karl Anzeige erstatten, wird noch entschieden. Den Schaden
gutzumachen, ist selbstverständlich. Und jetzt sollten Sie die beiden mal
herrufen.“
„Geht nicht.“
„Nein?“
„Bis Mittwoch früh, acht Uhr, haben
beide frei. Aber ich will mal sehen, ob ich sie zu Hause erreiche.“
Er schlug eine grüne Kladde auf, die
sein privates Telefonbuch enthielt, stellte fest, daß Riscanto kein Telefon
hatte, und fand Werdys Rufnummer.
Nachdem er gewählt hatte, horchte er
mißmutig am Hörer. Werdy meldete sich nicht.
„Da haben wir’s. Der hängt in ‘ner
Kneipe rum, oder er ist gleich los zu ‘ner Landpartie.“
„Haben die Fahrer keine Familien?“
erkundigte sich Tim. „Nein. Sind Junggesellen.“
„Wenn Sie uns die Adressen geben,
brauchen Sie sich um die Sache nicht mehr zu kümmern.“
„Das denkst du dir so. Es ist mein
Wagen, mit dem die beiden Mist gebaut haben — wenn sie’s gewesen sind. Meine
Versicherung muß dann ran. Aber das wird sich noch rausstellen.“ Immerhin
schrieb er die Adressen auf und reichte Tim den Zettel.
11. Das versprochene Ding
Die Glump-Gasse, wo Riscanto seine
Bleibe hatte, lag am nächsten.
Es war ein enger Schlauch, aus dem zwei
schimmlige Häuserzeilen die Luft rausdrückten. Wegen der Enge hatte man die
Gasse für vierrädrige Fahrzeuge gesperrt. Aber vor jeder Haustür stand ein
Motorrad.
Als die TKKG-Bande vor Nr. 41 hielt,
kam ein großer, struppiger Hund aus einem der Häuser. Er entdeckte Oskar,
wedelte zweimal ganz langsam mit seinem buschigen Schwanz und tappte heran.
„Es ist eine Hündin“, stellte Karl
fest. „Keine Gefahr.“
Die beiden beschnupperten sich. Oskar,
dem von der langen Strecke die Pfoten weh taten, war für einen Moment wieder
munter.
Tim hatte sein Rennrad neben einer
Suzuki an die Hauswand gelehnt und trat durch den geöffneten Eingang. Karl
schloß sich an.
Riscanto wohnte im ersten Stock,
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