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Um Mitternacht am schwarzen Fluß

Um Mitternacht am schwarzen Fluß

Titel: Um Mitternacht am schwarzen Fluß Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Stefan Wolf
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Baum, als wir
vorbei gingen“, sagte Tim, „und landete in Willis Hand. Was soll man da tun?
Einen zugelaufenen Hund oder einen zugeflogenen Geier bringt man
selbstverständlich zurück. Aber es ist nicht zuzumuten, einen zugeflogenen
Apfel wieder an den Baum zu hängen. Oder sind Sie da anderer Meinung?“
    Gnazows Gesicht verfinsterte sich. Er
schob die bürstendicken Brauen zusammen.
    „Du bist wohl ein ganz Schlauer, was?“
    Tim riß die Augen auf. „Sie haben es
gemerkt?“
    Ein Typ, über den man sich lustig
macht, war er eigentlich nicht. Dafür sah er zu gefährlich aus: knochig, so um
die 30 Jahre, mit Narben und Beulen im harten Gesicht. Von Krankheit oder
Unfall rührten die nicht her. Offensichtlich handelte es sich um Andenken an
verlorene Schlachten. Vielleicht war er auch als Sieger daraus hervorgegangen
und hatte die Gegner noch schlimmer gezeichnet.
    „Werd nicht frech!“ knurrte er. „Wohnt
ihr hier?“
    Tim schüttelte den Kopf. „Sie?“
    Gnazow antwortete nicht, wandte sich
wieder dem Fenster zu und trommelte an die Scheibe.
    Aber entweder war Werdy nicht zu Hause,
oder er legte keinen gesteigerten Wert auf diesen Besuch — egal, ob er ein Ding
versprochen hatte, für das Gnazow das Geld brachte. Funkstille im Parterre.
    Gnazow zuckte die Achseln. Was er durch
die Mundwinkel brummelte, klang nach Verwünschung. Verärgert schob er ab. Dabei
streifte er Tim mit der Schulter.
    Das war Absicht, natürlich, aber kein
Grund, gleich loszukeilen. Also übte sich der TKKG-Anführer in Gelassenheit und
schüttelte den Kopf über soviel kindisches Gehabe.
    Als Gnazow hinter den Apfelbäumen
verschwunden war, studierte Tim die kleinen Rahmen für Namensschilder neben den
Klingelknöpfen.
    Der obere Rahmen war leer, der untere
enthielt FRANK WERDY in Druckbuchstaben.
    Beide Knöpfe wurden lebhaft gedrückt,
und man hörte, wie die Klingeln durchs Haus schallten. Ohne jeden Erfolg. Oben
schien niemand zu wohnen. Daß keine Gardinen hinter den Fenstern hingen,
bestätigte das. Und Werdy war offensichtlich außerhäusig.
    „Das Glück ist uns unhold“, sagte Tim. „Aber
später oder morgen werden wir den einen oder andern erwischen. Was dieser
Gnazow wohl mit dem versprochenen Ding meint? Klang ja fast wie Ganovensprache.“
    „Ich habe da einen stinkigen Verdacht“,
meinte Klößchen.
    „Was?“
    „Ein Schlägertyp wie Gnazow macht doch
sicherlich nur krumme Geschäfte. Bestimmt hatte Werdy den Auftrag, einen
riesigen Parmesan-Käse aus dem Lastzug zu klauen. Gnazow wollte ihn kaufen — aber
nur für den halben Ladenpreis. Das sind die Methoden, die unsere Wirtschaft
ruinieren. Ganz abgesehen vom Diebstahl.“
    „Schon möglich“, meinte Tim. Aber er
hatte das Empfinden, daß es um etwas wichtigeres gehe als um einen großen Käse.
    „Jetzt sollten wir uns erstmal mit
Tanjas Eltern abstimmen“, meinte Gaby. „Wenn wir Eile machen, kommen wir noch
vor Geschäftsschluß ins Leihmeier.“
    Das Modehaus lag in der Fußgängerzone
und galt als Einkaufsparadies für betuchte Kundinnen. Die Schaufensterfront
reichte für einen längeren Bummel. Für die Köpfe der Schaufensterpuppen hatten
moderne Menschen als Vorbild gedient. Täuschend echt wirkten die Nachbildungen.
Alle Mienen zeigten Zufriedenheit. Offenbar machte es ihnen Spaß, immer den
neuesten Look vorzuführen.
    Um eine Säule, die mehrere
Obergeschosse trug, gruppierten die vier Freunde ihre Drahtesel.
Diebstahlsicher wurden sie aneinander gekettet.
    Es war drei Minuten vor Schluß.
    Die Verkäuferinnen dachten schon an
Abendessen und Fernsehprogramm. Den meisten schmerzten die Füße. Kunden, die
jetzt noch antanzten, wurden im stillen zum Teufel gewünscht.
    Gaby mußte sich sehr zusammennehmen, um
nicht am Blusenständer hängen zu bleiben oder in der Abteilung ,Flippi-Boutique’.
    Tim fragte eine mattgesichtige
Verkäuferin nach den Leihmeiers und wurde ins zweite Obergeschoß verwiesen.
    Nach abermaligem Fragen landeten sie
vor einem Büro.
    Hier übernahm Gaby die Führung. Sie
kannte Tanjas Eltern bereits.
    Ein KEIN EINTRITT-Schild an der Tür
hielt Unbefugte fern. Die TKKG-Bande riskierte es trotzdem — nachdem Gaby
geklopft hatte und eine Männerstimme hinter der Tür irgendwas rief.

12. Der totale Hasenfuß
     
    Robert Leihmeier hatte etwas
Stirnglatze, eine traurige Nase und einen Spitzkühler unter seiner modischen
Jacke. Auf Tim wirkte er wie jemand, der sich den ganzen Tag Sorgen macht, es
aber immer wieder schafft,

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