Um Mitternacht am schwarzen Fluß
sicher fühlten und nicht
das Versteck wechselten: samt des Waffenlagers. Natürlich mußten sie dann auch
sie, ihre Gefangene, mitnehmen.
Würden Jan und die andern sie
vermissen, wenn sie nicht zurückkehrte? Bestimmt nicht. Man würde annehmen, es
habe bei Dr. Geidmann zu lange gedauert. Und dann? Ihre Eltern kamen selten vor
acht Uhr aus dem Geschäft nach Hause. Vorher konnte also niemandem auffallen,
daß sie fehlte.
Arme Dietlinde Eckert, dachte sie. Die
muß nun zugeben, daß sie mich nicht zum Arzt gebracht hat. So gegen neun wird
dann hier die Suche beginnen. Mit Polizei, Scheinwerfern und Hunden. Aber bis
man mich gefunden und die Ganoven verhaftet hat... also, ich glaube, heute
komme ich spät ins Bett. Ein Glück, daß morgen Samstag ist. Da kann ich
ausschlafen.
Tanja machte sich Mut. Ihre Zuversicht
war echt. Freilich half das nicht viel gegen die unmittelbare Angst. Noch
befand sie sich in den Händen dieser Verbrecher.
„Ich habe dich gefragt!“ sagte Werdy.
„Ja. Natürlich. Sie haben recht.“
„Drück dich klar aus!“
„Es stimmt. Ich bin mit Freunden zum
Seehotel geradelt.“
„Und?“
Die halbe Wahrheit! dachte sie, sage
ich ihnen. Das klingt dann ganz echt.
„Denk nicht so lange nach!“ knurrte
Werdy. „Du sollst dir keine Märchen ausdenken.“
„Ich gebe ja alles zu. Es war so. Wir
hatten einen Unfall, weil mich ein Lastzug gestreift hat. Und...“
Sie erzählte wahrheitsgemäß, sogar von
einem blöden Typ mit rotem Porsche, rümpfte die Nase wegen der
Überängstlichkeit ihrer Eltern und berichtete, daß die Buchhalterin — den Namen
vermied sie — sie abgeholt habe.
„...zu Dr. Geidmann gebracht“, fuhr sie
fort. „Ich bin auch ins Haus gegangen. Aber nur bis hinter die Eingangstür. Als
die Buchhalterin abfuhr, bin ich zum nächsten Taxi-Stand gelaufen. Ich hatte
etwas Geld bei mir. Das Taxi brachte mich her. Aber ich wollte nicht bis zum
Seehotel fahren. Vorn an der Straße stieg ich aus. Du kürzt ab, dachte ich mir.
So kam ich hierher.“
„Kennst du den Taxi-Fahrer?“ fragte
Werdy.
Sie spürte die Falle.
„Nein. Es war ein ziemlich alter Typ.
Hat kein Wort geredet. Ich glaube, er ist kurzsichtig. Er fuhr furchtbar
vorsichtig.“
„Hast du ihm gesagt, wer du bist?“
„Nö. Weshalb denn?“
„Sah dich jemand einsteigen?“
„Weiß nicht. Es war der Taxi-Stand an
der Turmacker-Straße. Da ist immer wüster Betrieb. Wer sollte auf mich achten?“
„Wie viele Wagen standen dort?“
„Nur der eine. Aber als wir abfuhren,
stellte sich ein anderes Taxi auf den Platz.“
„Würdest du sagen, daß man deine Spur
hierher verfolgen kann?“
Sie schluckte — und schwieg, scheinbar
entsetzt, als werde ihr jetzt erst klar, worauf die Fragen zielten.
„Ich weiß nicht“, schluchzte sie dann. „Aber
warum lassen Sie mich nicht gehen? Ich werde wirklich nichts verraten.“
Niemand antwortete. Schritte entfernten
sich.
Sie horchte gespannt. Ja, es waren drei
Paar Füße.
Also hatte Werdy den — vorhin erwähnten
— Chef mitgebracht.
Die drei schwiegen, bis sie beim Golf
waren.
„Glück gehabt“, meinte Carlo.
Werdy grinste.
„Beim Arzt verliert sich ihre Spur“,
sagte Muhson.
„In der Stadt wird man sie suchen.
Nicht hier.“
„Es sei denn“, wandte Werdy ein, „die
Bullen stoßen auf den Taxi-Fahrer.“
„Das halte ich für unwahrscheinlich. In
der Turmacker-Straße ist nachmittags wirklich höllischer Betrieb. Ich bin dort
oft. Manchmal nehme ich auch ein Taxi. Ich glaube, ich kenne den Fahrer, den
das Mädchen meint. Für fünf Taxis ist dort ein Standplatz. Einer der Fahrer ist
wirklich so taperig — dem sollte man den Führerschein wegnehmen. Wenn die
Bullen den fragen — der entsinnt sich an nichts.“
Diese Übereinstimmung war kein Zufall.
Tanja hatte auch hinsichtlich des Taxis
Wahrheit mit Flunkerei vermischt.
Beide meinten denselben Chauffeur, mit
dem Tanja schon zweimal gefahren war, und jedesmal hatte sie gedacht: Daß der
noch fährt!
„Sie bleibt also hier“, ordnete Muhson
an. „Gebt ihr zu essen. Aber nehmt ihr das Tuch nicht ab. Nach vier Tagen weiß
sie nicht mehr, wie ihr ausseht. Das garantiere ich.“
Er öffnete den Golf und setzte sich auf
den Beifahrersitz. Das hieß, Werdy sollte ihn zurückfahren.
10. Wegen Unfallflucht
Silbergrau schwebte der Spätnachmittag
über der Großfeld-Straße, wo die Spedition Kambärt ihren Standort hatte.
Die TKKG-Bande hielt vor dem Tor. Es
war
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