umgenietet: Maggie Abendroth und der alten Narren tödliches Geschwätz (German Edition)
Betten, vermute ich. Es ist halb drei nachts.«
Rudi wickelte sich aus der Decke und kam an mein Bett.
»Wie geht es Matti?«
»Gut.«
»Wo ist er?«
»Zu Hause. Er war bis vor zwei Stunden hier.«
»Ist er verletzt?«
Rudi zuckte mit den Schultern. »Nicht sehr …«
Mir fielen die Augen zu, und sofort hörte ich wieder das bösartige Knirschen und riss vor Schreck die Augen wieder auf.
»Hallo? Maggie?«
»Ja … erzähl, was ist mit Berti?«
»Es geht ihr gut. Elvis sieht schlimm aus.«
»Wie …?«
»Berti hat Elvis mit ihrer Tasche traktiert. Dann hat sie, wie Gretel, eine Tasse aus dem Fenster geworfen. Als Spur. Sie macht sich wahnsinnige Vorwürfe. Sie hat nämlich gesehen, wie die Tasse in dein Auto geflogen ist und du übers Brückengeländer.«
»Das … war«, und schon sah ich das weiße Ding wieder fliegen und duckte mich weg.
»War was?«, fragte Rudi und guckte mich verstört an.
»Nee … okay. Die Tasse. Deswegen hab ich die Kontrolle über den Wagen verloren … Oh … oh, is mir …«
Ich krabbelte aus dem Bett und stürzte zur nächstbesten Tür, die in Reichweite war, und hatte Glück, dass sie ins Bad führte. Der Infusionsständer fiel krachend um. In der nächsten Sekunde hing ich würgend über der Kloschüssel. »Soll ich den Arzt rufen?«, fragte Rudi. »Ich ruf den Arzt. Kein Problem. Eine Sekunde.«
»Nein! Nein … Komm bloß nicht rein.« Ich spuckte Magensäure, und meine Lunge rasselte. Als ich aus der Kloschüssel wieder auftauchte, stand Rudi neben mir und hielt mir ein Glas Wasser hin. Ich trank ein paar Schlucke, hielt mich am Infusionsständer fest, und mit Rudis Hilfe schlurfte ich wieder zurück ins Zimmer. Rudi war grau im Gesicht und stotterte: »Ich ruf mal lieber den Doktor.«
»Lass mal …«, sagte ich und krabbelte zurück ins Bett.
»Soll ich nicht doch lieber … Die Infusion!?«
»Nix passiert. Erzähl weiter.«
»Berti geht’s gut.«
»Und?«
»Soll ich die ganze Geschichte? Ich glaub, es ist besser, du schläfst wieder.«
»Nee. Is nich’ besser.«
Rudi ging zum Sessel, kam mit der Decke wieder zurück und legte sie mir um die Schulter, dann setzte er sich ans Fußende des Bettes und berichtete erst stockend, dann immer atemloser: »Also, wir kommen auf der Brücke an. Das Geländer komplett fratzisiert. Du musst genau zwischen den riesigen Lampen durchgeflogen sein. Wir raus aus dem Auto. Der Matti guckt runter, sieht den Wagen unter Wasser, und dann ist der da rein in den arschkalten Fluss. Und dann war er weg. Ich hab mir in die Hose geschissen vor Angst. Der kommt und kommt nicht wieder hoch. Dann das Tatütata vom Krankenwagen und Bullenautos, und alle kacheln die Kemnader Straße runter. Ich hab gedacht, ihr seid beide tot. Echt. Ich weiß nich, wie lange der Matti da unten war, mir kams vor wie ’ne Ewigkeit. Meine Fresse, höchstens fünf Minuten, hat der Matti gesagt, allerhöchstens, länger hält man in dem kalten Wasser nicht durch. Und er hat gesagt, dass jeder andere Mensch höchstens drei Minuten schafft. Die zwei Extraminuten erfordern jahrelanges Training …«
Zwischendurch verlor ich immer wieder den Anschluss in Rudis Rapport. Mal kam es mir so vor, als redete er schon eine Stunde, mal dachte ich, er fängt immer wieder von vorne an.
»… und ich kann nicht hinterher, weil …, ich kann gar nicht schwimmen, weißt du. Plötzlich steht so ’n Riesenkerl neben mir, sagt, er heißt Winnie Blaschke und drückt mir seinen Mantel in die Hand. Ich denk, was will der denn jetzt? Und dann hechtet der auch ins Wasser. Hinter mir hör’ ich Oma Berti. Voll am Fluchen. Der Blaschke schreit, ich soll da oben am Geländer bleiben, bei Oma. Für alle Fälle. Wat für Fälle?, hab ich gedacht … Glaubt der, die springt hinterher?«
»Rudi, Rudi … nicht so schnell, bitte.«
Rudi hatte einen hochroten Kopf und wischte sich mit der flachen Hand über seine Glatze. »’tschuldigung. Dat war …«
»Tu mir einen Gefallen – geh Kaffee holen und besorg irgendwie Zigaretten – und dann erzähl mir alles noch mal ganz langsam. Okay?«
»Bin schon auf dem Weg.«
Ich hatte gehofft, er würde wenigstens zehn Minuten im Krankenhaus unterwegs sein, um die Dinge zu besorgen, aber er drehte sich um, ging zum Sessel und zog eine Sporttasche darunter hervor. Er holte eine Thermoskanne, meine Prince-Charles-Tasse, eine Schachtel Gauloises und einen Aschenbecher heraus und sagte:»Simsalabim. Der Matti hat gesagt, wenn dich was
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