umgenietet: Maggie Abendroth und der alten Narren tödliches Geschwätz (German Edition)
aus dem Koma holt, dann das.«
Wie Recht der Mann hatte.
Als Winnie am frühen Morgen ins Zimmer kam, saß ich aufrecht beim Frühstück. Rudi war um fünf Uhr gegangen. Ich hatte die Fenster aufgerissen, um alle verräterischen Spuren unserer nächtlichen Nikotinorgie zu vernichten. Dann konnte ich nicht mehr einschlafen. Ich war aufgeblieben, hatte mich ans offene Fenster gesetzt und den Schneeflocken im gelben Lichtkegel der Straßenlaterne beim Fallen zugeschaut; wie eine nach der anderen aufs Fensterbrett segelte und ihre Existenz fürs große Ganze aufgab, um zu einer weißen, wattigen Schicht auf einem Sims zu werden.
Matti war in das eiskalte Wasser gesprungen. Und Winnie auch. Sie hätten tot sein können … Alle beide …
Plötzlich war die Straßenlaterne ausgegangen, und fahlgraues Tageslicht kündigte einen neuen Wintertag an. Es hatte an der Tür geklopft, und eine Krankenschwester mit dem Frühstückstablett in der Hand stand in der Tür.
»Sie gehen sofort wieder ins Bett«, befahl sie, und ich gehorchte. Zufrieden über ihren kolossalen Erfolg, schüttelte sie mir die Kissen auf und goss mir Kaffee ein. »Dass mir das nie wieder vorkommt«, sagte sie, schloss das Fenster und marschierte mit quietschenden Sohlen wieder hinaus.
Ein paar Minuten später war die Tür wieder aufgegangen, und Winnie flog mir regelrecht in die Arme und wollte mich gar nicht mehr loslassen. »Das war ein spektakulärer Stunt, meine Liebe. So was will ich nie wieder sehen. Verstanden?«
»Ich glaube auch nicht, dass mir Kieslowski noch mal ein Taxi anvertraut. Hm? Willst’n Brot?«
»Maggie Abendroth. Nie wieder, versprich mir das. Keine Unfälle und keine Alleingänge!«
»Ich war nicht allein!«
»Und keine Widerworte. Hast du mich verstanden?«
»Ja. Glaub mir, auf solche Erfahrungen bin ich nicht scharf.«
»Was sagt der Arzt? War er heute schon hier?«
»Weiß nicht. Was soll er schon sagen? Bis auf ein paar Beulen und die Unterkühlung ist alles okay.«
»Gott sei Dank. Sag mal, riecht es hier nach Zigaretten?«
»Nein.«
Winnie zog die Schublade vom Nachtschränkchen auf, griff in seine Manteltasche und legte eine Packung Gauloises hinein.
»Ich soll dich von allen grüßen. Die Zigaretten sind von Berti, und hier noch eine Tüte Brause-Buddhas.«
»Danke. Wo sind denn alle? Kommt Berti heute vorbei?«
»Hm … Die sind … Ich weiß nicht, ob …« Winnie kramte in meinem Nachtschränkchen herum und murmelte: »Wo ist denn der Aschenbecher? Sag mir nicht, du hast nicht schon längst einen Aschenbecher am Start?«
Er öffnete ein Fenster, schob den Schnee auf dem Sims zusammen und formte eine Kugel. Dann drückte er mit dem Daumen ein Loch hinein und hielt mir den Ersatzaschenbecher hin. »Also, ich kann den nicht aufs Nachtschränkchen stellen … Materialschwäche …«
»Winnie, was ist passiert? Ist was mit Berti?«
»Nein, nein. Sie ist völlig in Ordnung.«
Winnie stellte den Schneeaschenbecher auf den Sims, faltete die Papiertüte auseinander und holte einen weißen Brause-Buddha heraus.
»Oh nee, Winnie … Herrmanns. Es ist was mit Herrmanns.«
»Ja, Herrmanns ist gestorben. Die sind alle auf seiner Beerdigung.«
»Ach … arme Berti. Wann ist das passiert?«
»An dem Tag, als Borowski bestattet wurde.«
Ich rechnete kurz nach. Bestattungen fanden meistens drei Tage nach dem Ableben statt. Welcher Tag war denn heute?
»Wie lange bin ich denn schon hier?«
»Vier Tage.«
»Du liebe Zeit! Mein Gott, wie geht es Berti denn jetzt?«
»Ich will ehrlich sein: Ich weiß es nicht. Was ich gesehen habe, war, dass Berti den Elvis schon während ihrer Geiselhaft halb totgeschlagen hatte. Er hatte eine Gehirnerschütterung und eine Platzwunde auf der Stirn. Und als sie ein paar Stunden später erfahren hat, dass der Herrmanns gestorben ist, hat sie Seidel um seine Dienstwaffe gebeten. Der war kurz davor, sie ihr zu geben, nachdem er die ganze Geschichte gehört hatte.«
»Das ist ja nicht auszuhalten. Wer kümmert sich jetzt um Berti? Carmen und Mia?«
»Ich glaube, Carmen hat sie eingeladen, zu ihr zu kommen. Aber ich weiß nicht, ob sie annimmt. Ich fürchte, eher nicht.«
»Rede ihr gut zu. Vielleicht hilft es ja.«
»Ja, mal sehen …«
»Ist Ellis Pudel auch tot?«
»Du erinnerst dich daran? Das ist gut.«
»Was ist daran gut?«
»Dass du dich erinnerst. Der Oberarzt war nicht überzeugt, dass deine Murmel den Unfall und deinen Atemstillstand so gut übersteht.«
»Aha.
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