Umwege zum Glück
Mann gebunden sein würde, den sie nicht liebte, ja, den sie beinahe verabscheute. Sie würde seine Krankenpflegerin werden und nie eine richtige Ehefrau. Aber dann starb er nach kurzer Zeit. Für seine Eltern furchtbar, aber seien wir ehrlich: für Anke eine Erlösung. Ja, so war also die Geschichte. Und jetzt muß ich ins Heiabettchen! Wenn der Professor mich morgen etwas fragt, werde ich in Ohnmacht fallen müssen, das wird mein einziger Ausweg, es sei denn, ich setzte mich jetzt hin und büffelte bis Mitternacht und noch länger!“
„Gute Nacht dann, Jessica. Es war ein schöner Abend!“
„Gute Nacht, Reni. Ich bin so froh, daß du unter die Donnerstagsfresser aufgenommen bist.“
„Jessica, wenn die Tanten den Ausdruck gehört hätten!“
„Ssss – sage es keinem Menschen –, aber sie gebrauchen ihn selbst! Ganz im geheimen! Aber bleiben wir meinetwegen bei den Donnerstagsspeisern. Das ist dir wohl fein genug? Alles für die Bildung!“
Ein nicht vorhandenes Fünfmarkstück
Ich war vollkommen perplex.
Als ich nach Hause kam und Muttis Brief mitten auf dem Tisch vorfand, machte ich mich auf alles gefaßt. Daß Frau Hansen ihn gelesen hatte, dafür würde ich meine Hand ins Feuer legen. Dann wußte sie also den ganzen Zusammenhang, daß Jessica und ich den geistesschwachen Brief fabriziert hatten, daß wir es waren, die sie am Sonntag zum Frühaufsteher gemacht hatten. Na, es war ja auch unsere Absicht gewesen, sie zum Nachdenken zu bringen. Aber ich hatte doch ein bißchen Magendruck. Natürlich konnte sie mir keine direkten Vorwürfe machen, sie mußte ja „ihr Gesicht behalten“. Aber sie würde bestimmt sauer wie eine Essiggurke sein und bei jeder Gelegenheit meckern! Lieber Himmel, was hatte ich mir da eingebrockt!
Am nächsten Morgen traute ich meinen eigenen Ohren nicht. Ich ging in die Küche, um meine Margarinepackung aus dem Kühlschrank zu holen, und da stand meine neugierige Liese.
„Guten Morgen, Frau Hansen“, sagte ich und versuchte, meine Stimme natürlich klingen zu lassen.
„Ach, guten Morgen, Fräulein Thams! Na, gut geschlafen? Hatten Sie nun gestern einen netten Abend?“
Ihre Stimme war zuckersüß!
„Ja – o ja, sehr nett, mit wunderbarem Essen – hoffentlich habe ich Sie nicht gestört, als ich nach Hause kam…“
„Nein, gar nicht, Sie gehen ja immer so leise.“
Wir wechselten noch ein paar ausgesprochen freundliche Worte, und ich trollte mich zurück in mein Zimmer mit der Margarine. Was in aller Welt – hatte sie etwa nicht Muttis Brief gelesen? Doch, bestimmt, ich kannte sie!
Nach der letzten Vorlesung erzählte ich Jessica mein Morgenerlebnis.
„Das ist doch klar wie dicke Tinte!“ meinte Jessica. „Entweder würde sie sauer und wütend sein oder zuckersüß, nämlich um dir klarzumachen, daß sie keine Ahnung von dem Brief deiner Mutter hat! Du hast jetzt zu glauben, daß sie ihn gar nicht gelesen hat! Übrigens, was hast du heut nachmittag vor?“
„Ich muß mein schlechtes Gewissen beruhigen. Das heißt Briefe schreiben. An Madeleine und an Uwe. Ich habe ihn furchtbar vernachlässigt.“
„Uwe, ist das der in Aachen?“
„Stimmt. Ich habe mindestens drei unbeantwortete Briefe von ihm.“
„Dann kann es auch nicht allzu ernst mit der Liebe sein!“
Ich dachte nach.
„Ich weiß nicht. Ich habe mich so an Uwe gewöhnt. Er ist ein feiner Kerl und ein guter Kamerad. Ich kenne ihn seit mehr als zwei Jahren, und wir haben es immer riesig nett zusammen gehabt. Aber… es ist nicht so, daß ich vor Sehnsucht heule. Und etwas mit Verlobung und so ist zwischen uns nie zur Sprache gekommen, aber…“
„Aber er ist verliebt, wolltest du sagen?“
„Ich glaube schon. Ja, wenn ich es mir überlege, hat er wohl ab und zu so was angedeutet.“
„Und du bleibst kühl?“
„I wo, von wegen kühl, ich mag ihn furchtbar gern, ich weiß niemanden, den ich lieber mag. Ich weiß nicht, woran es liegt: Wenn wir zusammen sind, ist es großartig, und wir verstehen uns so gut, aber wenn wir auseinander sind, ja, dann denke ich nicht so sehr viel an ihn.“
„Dann ist es nicht das Richtige!“ stellte Jessica fest. „Aber jetzt verlasse ich dich, um den zu treffen, an den ich immer denke und der bestimmt der Richtige für mich ist!“
„Na, dann brauche ich dich nicht zu fragen, was du heut nachmittag vorhast!“ lachte ich.
„Verlaß dich ruhig auf deine Phantasie“, sagte Jessica und verschwand um die Ecke.
Ich lud drei
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