Unbescholten: Thriller (German Edition)
braunen Haar. Auf den Vergrößerungen der Bilder war auch sein Vater Ralph Hanke zu sehen. Leszek betrachtete die Abzüge: selbstsicheres Lächeln, maßgeschneiderte Anzüge und sorgfältig gekämmtes Haar.
Leszek hatte Christian Hanke durch das Fernglas beobachtet. Er wusste nur, dass Hanke abends gegen acht nach Hause kam und seinen BMW auf der Straße vor dem Haus parkte. Er bekam Damenbesuch, hatte eine Haushaltshilfe, und in seinem Schlafzimmer brannte bis zwei Uhr morgens Licht. Leszek wusste außerdem, dass Hanke immer morgens um halb acht aus dem schmiedeeisernen Tor trat, die Straße überquerte, sich in seinen Wagen setzte und nach München hineinfuhr.
Aus dem Radio tönte bayerische Schlagermusik. Ein Typ sang, als würde er dabei breit lächeln, und im Hintergrund waren elektronische Streichinstrumente zu hören.
Leszek saß da und atmete ruhig. Es war ein schöner Morgen, die Luft war dunstig. Die Sonnenstrahlen fielen durch das Laub und tauchten die Umgebung in ein gleißendes Licht.
Leszek blickte auf seine Hände. Es war eine schmutzige Angelegenheit gewesen, die Bombe zu installieren. Er hatte das zwar schon öfter gemacht, aber das letzte Mal war schon etwas her, damals war er noch beim Geheimdienst gewesen. Da war es weniger zeitaufwendig gewesen, schon allein wegen der Motorblöcke, die nicht so kompakt gebaut waren wie heute. Er streckte sich und schloss für einen Moment die Augen.
Als er sie wieder öffnete, sah er gerade noch die Silhouette eines Menschen, der hinter parkenden Autos die Straßenseite wechselte. Leszek nahm das Fernglas vom Beifahrersitz und hielt es sich an die Augen. Es war eine Frau, eine junge Frau. Leszek warf einen Blick auf seine Armbanduhr, es war Viertel vor acht. Die Frau war blond, Anfang zwanzig, hatte langes Haar und trug eine große schwarze Sonnenbrille und zerschlissene Designerjeans. In ihren hochhackigen Schuhen ging sie zielstrebig auf den BMW von Hanke zu. Über ihrer Schulter hing eine Handtasche. Wo zum Teufel war Christian Hanke? Statt um den Wagen herum zur Beifahrertür zu gehen, öffnete sie die Tür auf der Fahrerseite, glitt hinter das Lenkrad und legte die Handtasche auf den Sitz neben sich.
Die nächsten fünf Sekunden vergingen wie in Zeitlupe. Leszek überlegte, ob er sie warnen sollte. Doch stattdessen saß er nur da, sah, wie die junge blonde Frau diese kleine Bewegung machte, mit der man einen Motor startet: eine Hand am Lenkrad, ein bisschen vorbeugen und mit der rechten Hand den Startknopf drücken.
In der Millisekunde, in der die Elektrizität von der Batterie zum Motor transportiert wurde, fing ein Stromkabel sie ab und zündete eine Patrone, die wiederum einen Klumpen Plastiksprengstoff zündete, der unter dem Wagen befestigt war.
Die Wucht der Explosion drückte die Frau gegen das Wagendach und brach ihr sofort das Genick. Der Napalmbehälter, den Leszek im Auto angebracht hatte, fing iim selben Augenblick Feuer und verwandelte das Auto in ein brennendes Inferno.
Leszek verließ Grünwald und fand einen abgelegenen Platz im Wald, wo er den Ford in Brand setzte. Dann rief er Adalberto an und hinterließ eine kurze Nachricht auf seiner Mailbox, dass es nicht nach Plan gelaufen war. Anschließend warf er das Handy in einen Gully und lief kreuz und quer durch die Stadt, um sicherzugehen, dass niemand ihn verfolgte. Dann winkte er ein Taxi heran, das ihn zum Flughafen brachte.
Vom ersten Tag seines Krankenhausaufenthaltes an hatte Hector Guzman Sophie Fragen gestellt: über ihr Leben, ihre Jugend, ihre Familie. Er hatte gefragt, was sie mochte und was nicht. Und sie ertappte sich dabei, dass sie seine Fragen wahrheitsgemäß beantwortete. Sie musste sich eingestehen, dass sie seine Aufmerksamkeit genoss, sie hatte Hector Guzman nie als aufdringlich empfunden. Wenn er etwas berührte, über das sie nicht reden wollte, fragte er nicht weiter. Er schien zu wissen, wo ihre Grenze verlief. Und je besser sie sich kennenlernten, desto zurückhaltender verhielt er sich ihr gegenüber.
Ob sie müde sei, fragte er.
»Warum?«
»Sie sehen müde aus.«
Sophie legte ein Handtuch zusammen. »Sie scheinen ja zu wissen, wie man Frauen schmeichelt.«
Er verzog den Mund.
»Ich glaube, Sie werden hier nicht mehr allzu lange liegen«, fuhr Sophie fort.
Hector hob eine Augenbraue.
Sophie öffnete ein Fenster und ließ frische Luft herein. Dann ging sie an seinen Nachttisch, um die leere Wasserkaraffe zu nehmen. Doch Hector griff nach ihrer
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