Unbeugsam
physischen Bedingungen, denen die Gefangenen unterworfen waren, zu verbessern. Trotzdem war seine Freundlichkeit lebensrettend.
An einem Tag, als Kawamura keinen Wachdienst hatte, kam ein anderer neuer Wachsoldat. Er ging sofort auf Louie los und stieß einen Stock durch das Fenster in der Tür und in Louies Gesicht, als wollte er ihm die Augen ausstechen. Am nächsten Tag sah Kawamura die Wunden in Louies Gesicht und fragte ihn, wer das getan habe. Als Kawamura den Namen hörte, verhärtete sich seine Miene, er hob den Arm und zeigte Louie seine Muskeln. Nach Dienstschluss eilte er mit einem Ausdruck zorniger Entschiedenheit davon.
Zwei Tage lang bekam Louie weder Kawamura noch den brutalen Wachsoldaten zu Gesicht. Dann kehrte Kawamura zurück, öffnete Louies Zellentür einen Spalt weit und zeigte stolz auf den Soldaten, der Louie geschlagen hatte. Seine Stirn und sein Kinn waren dick verbunden. Zum Wachdienst an Louies Zelle erschien er nicht mehr.
|217| Eines Tages – Louie und Phil lagen wie immer in ihren Zellen – hörten sie von draußen Geräusche, das Randalieren einer größeren Menschenmenge. 17 Dann drückten sich wütende Gesichter in Louies Türfenster. Steine wurden nach ihm geworfen. Mehr Männer kamen, immer mehr, einer nach dem anderen, die Louie anschrien und anspuckten, Steine nach ihm warfen, Stöcke wie Speere nach ihm schleuderten. Am anderen Ende des Flurs machten die Männer dasselbe mit Phil. Louie kauerte sich in der hintersten Ecke seiner Zelle zusammen.
Die Schlange der Schaulustigen riss nicht ab. Achtzig waren es, wenn nicht gar neunzig Männer, jeder durfte die Gefangenen jeweils rund eine halbe Minute lang malträtieren. Irgendwann verließen die Männer das Gebäude. Louie saß blutend zwischen Steinen, Stöcken und Speichelpfützen.
Kawamura wurde sehr zornig, als er sah, was da geschehen war. Er erklärte, bei den Angreifern habe es sich um eine U-Boot-Truppe gehandelt, die auf der Insel einen Zwischenhalt eingelegt hatte. Als Louie zu einem weiteren Verhör geholt wurde, beklagte er sich über die Angriffe. Die Offiziere erwiderten, dass er mit so etwas rechnen müsse.
Die Japaner, die ihn verhörten, forderten Louie auf, ihnen die Anzahl der auf Hawaii befindlichen Flugzeuge, Schiffe und dort stationierten Personen zu nennen. Louie gab zur Antwort, er sei im Mai das letzte Mal in Hawaii gewesen. Nun war August. Man dürfe von ihm keine aktuellen Informationen erwarten. Er wurde in seine Zelle zurückgeschickt.
Ungefähr drei Wochen nach seiner Ankunft auf Kwajalein wurde Louie wieder einmal aus seiner Zelle geholt. Draußen sah er zum ersten Mal, seit er hierher gekommen war, Phil. Ihre Augen trafen sich. Das war nun wohl das Ende.
Sie wurden zum Verhörgebäude gebracht, diesmal jedoch nur bis in die Vorhalle, Phil an das eine Ende des Raums, Louie an das andere. Zwei Männer in Arztkitteln kamen dazu, in ihrem Gefolge vier Assistenten mit Schreibblöcken und Stoppuhren. 18 Außerhalb der Vorhalle versammelte sich eine immer größer werdende Menge von Schaulustigen.
Louie und Phil mussten sich hinlegen. Die Ärzte nahmen zwei lange Injektionsspritzen zur Hand und füllten sie mit einer trüben Flüssigkeit. Irgendjemand erklärte, das sei die Milch von grünen Kokosnüssen; ob das stimmte, ist nicht rekonstruierbar. Die Ärzte sagten, was sie jetzt tun würden, werde Louies und Phils Gesamtbefinden verbessern. Wenn die Lösung so wirkte, wie sie es sich erhofften, dann würde man auch die japanischen Truppen damit versorgen.
|218| Die Ärzte drehten die Hände der Gefangenen um, so dass die Handflächen oben lagen, und rieben ihre Arme mit Alkohol ein. Die Nadeln wurden eingeführt, die Kolben heruntergedrückt, und die Assistenten setzten ihre Stoppuhren in Gang. Die Ärzte forderten die Gefangenen auf, zu beschreiben, was sie spürten.
Bei Louie begann sich schon innerhalb weniger Sekunden die Halle um ihn herum zu drehen. Der Arzt injizierte noch mehr von der Lösung in seine Vene, die Drehbewegung wurde intensiver. Louie hatte das Gefühl, dass ihm von Kopf bis Fuß Nadeln in den Körper gesteckt wurden. Dann spürte er, wie das Blut aus seinem Kopf strömte, ähnlich wie wenn Phil plötzlich
Super Man
wieder aus einem Luftloch hochzog. Seine Haut brannte, juckte und stach. Die Halle schwankte und drehte sich. Auf der anderen Seite der Halle hatte Phil dieselben Symptome. Die Ärzte fuhren fort, sie in sachlichem Ton zu befragen. Dann verschwamm alles.
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