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Unbeugsam

Unbeugsam

Titel: Unbeugsam Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Laura Hillenbrand
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Louie schrie, er werde gleich in Ohnmacht fallen. Der Arzt zog die Nadel heraus.
    Die Gefangenen wurden in ihre Zellen zurückgebracht. Innerhalb von 15 Minuten war Louies gesamter Körper mit Ausschlag überzogen. Die ganze Nacht lag er wach, seine Haut brannte und juckte. Einige Tage später, als die Symptome etwas zurückgegangen waren, wurden er und Phil wieder in die Vorhalle gebracht, erneut injizierte man ihnen die Lösung, dieses Mal eine größere Menge. Wieder traten heftige Schwindelgefühle und brennender Ausschlag auf. Noch ein paar Tage später unterzog man sie einem dritten Experiment und dann nach wenigen Tagen einem vierten. Bei der letzten Infusion wurde ihnen fast ein halber Liter von der Flüssigkeit in die Venen gepumpt.
    Beide Männer überlebten, und so fürchterlich diese Erfahrung gewesen war, hatten sie doch Glück gehabt. In sämtlichen besetzten Gebieten benutzten die Japaner mindestens zehntausend Kriegsgefangene und Zivilisten, sogar Kinder, als Versuchspersonen für ihre Experimente auf dem Gebiet biologischer und chemischer Kriegsführung. Tausende starben. 19
     
    Nach der Rückkehr in seine Zelle bekam Louie heftige Kopfschmerzen, kurze Zeit darauf kamen Benommenheit und hohes Fieber dazu. Alle Knochen taten ihm weh. Phil machte dieselben Qualen durch. Die Wachen holten einen Arzt. Louie schnappte ein bekanntes Wort auf: Dengue. 20 Die Gefangenen hatten Denguefieber, eine potentiell tödliche, von Stechmücken übertragene Krankheit, die vor allem in den Tropen auftrat. Eine Behandlung durch einen Arzt war offenbar nicht vorgesehen.
    Louie driftete in einen fiebrigen Nebel ab. Stunden und Tage glitten an |219| ihm vorbei, und er spürte kaum eine Verbindung zu seinem Körper. In dieser Zeit waren vor seiner Zelle wieder schwere Schritte zu hören, wieder erschienen wütende Gesichter in der Tür, Louie wurde wieder mit Steinen beworfen, mit Stöcken malträtiert und angespien. Eine weitere Gruppe U-Boot-Soldaten war eingetroffen.
    Louie ließ die Tortur über sich ergehen, er war zu krank, um Widerstand zu leisten. Die Gesichter trieben vorbei, seine schmerzenden Knochen waren den Steinen und Stockschlägen ausgesetzt. Die Zeit verging in gnädiger Geschwindigkeit, und bald hatten die Misshandlungen ein Ende.
     
    Ein weiteres Mal wurde Louie zu einem Verhör gebracht. 21 Die Offiziere legten ihm eine Landkarte von Hawaii vor und forderten ihn auf, darauf die geographische Lage der Luftwaffenstützpunkte zu markieren.
    Zunächst weigerte sich Louie eine ganze Weile, doch die Offiziere bedrängten ihn so unbarmherzig, dass er schließlich einknickte. Mit gesenktem Kopf und einem Ausdruck beschämter Resignation erzählte er ihnen alles – die genaue Lage der Stützpunkte, die Anzahl der Flugzeuge.
    Die Japaner grinsten triumphierend. Sie öffneten eine Flasche Cola und reichten sie Louie, dazu noch ein Keks und ein Stück Kuchen. In ihrer Begeisterung kamen sie natürlich nicht auf den Gedanken, dass es sich bei den »Stützpunkten«, die Louie ihnen genannt hatte, um die Pseudo-Flugplätze handelte, an denen er vorbeigekommen war, als er mit Phil zusammen Hawaii erkundet hatte. Wenn die Japaner dort ihre Bomber einsetzten, dann würden auf Seiten der Amerikaner lediglich Sperrholzflugzeuge zu Bruch gehen.
    Louies und Phils Nutzen hatte sich erschöpft. Im Hauptquartier diskutierten die Offiziere, was mit den Gefangenen nun geschehen sollte. Wahrscheinlich fiel ihnen die Entscheidung leicht, wurde sie doch von denselben japanischen Offizieren gefällt, die die Tötung der Marinesoldaten angeordnet hatten, deren Namen in die Wand von Louies Zelle geritzt waren. Man würde Louie und Phil hinrichten.
    Am 24. August versammelten sich mehrere Personen vor Louies Zelle, und ein weiteres Mal wurde er herausgezerrt.
Ist es jetzt soweit?
, dachte er bei sich. Er wurde zum Verhörgebäude geschleppt. Louie war darauf gefasst, dass man ihm nun sein Todesurteil verkünden würde, doch er erfuhr etwas ganz anderes: Ein Schiff der japanischen Marine sollte ihn mitnehmen und in ein Kriegsgefangenenlager in Yokohama bringen. In allerletzter Minute hatten die Offiziere beschlossen, ihn nicht umzubringen. Den Grund dafür sollte Louie erst sehr viel später erfahren. 22
    |220| Louie verspürte eine unsagbare Erleichterung; er war sicher, seine Behandlung in einem Kriegsgefangenenlager werde den Regeln des internationalen Rechts folgen, er konnte mit der Anwesenheit des Roten Kreuzes rechnen, und

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