Uncharted - Das vierte Labyrinth
Männer und Frauen, die Befehle ohne Zögern akzeptierten und sich nicht mit Lappalien wie Moral oder Legalität aufhielten. Man stellte sie Drake und Jada als Angestellte privater Sicherheitsfirmen vor, die für Phoenix Innovations arbeiteten, aber das war nur eine schmeichelhafte Bezeichnung für Ex-Soldaten, die ihre beim Militär erworbenen Fähigkeiten nun an den Bestbietenden verkauften.
Henriksens Totschläger hatten ein Arsenal an Waffen mitgebracht, das den Beamten am Flughafen von Nanjing vermutlich einen Herzinfarkt beschert hätte. Als Drake um eine Pistole für sich und eine für Jada gebeten hatte, hatte Henriksen Einwände erhoben, und er war wohl schon kurz davor gewesen, Perkins, dem Anführer der Söldnerbande, zu verbieten, dass er Waffen an sie aushändigte. Doch im letzten Moment war ihm dann eingefallen, dass sie ja noch immer so taten, als wären sie alle auf derselben Seite, und so hatte er Perkins schließlich doch zugenickt.
Das hatte die Frage beantwortet, die Drake schon seit einer ganzen Weile beschäftigte. Henriksen wusste, dass sie bei diesem Abenteuer nicht dasselbe Ziel verfolgten. Sicher, Drake ging es vor allem darum, Sully zu retten, aber er und Sully hatten Jada auch versprochen, dass sie Luka seinen letzten Wunsch erfüllen und dafür sorgen würden, dass die ganze Welt von den Geheimnissen des vierten Labyrinths erfuhr. Falls Henriksen vorhatte, Dädalus’ Schatzkammer zu plündern, wie wollte er das dann vor der Öffentlichkeit verbergen?
Die offensichtliche Antwort lautete: gar nicht. Das wiederum bedeutete, er würde gar nicht erst zulassen, dass die Existenz des vierten Labyrinths publik wurde. Um dieses Geheimnis zu wahren, musste er Drake, Jada und Sully töten, und dafür gab es wohl keinen besseren Ort als das Labyrinth selbst, wo vermutlich niemand jemals ihre Leichen finden würde.
Doch falls Henriksen Luka und Cheney nicht ermordet hatte, war er dann überhaupt ein Killer? Konnte es sein, dass er wirklich einen Kompromiss mit ihnen schließen wollte? Es gab nur einen Weg, um das herauszufinden. Dass Henriksen seinen Leuten letzten Endes befahl, die Mausoleumswachen doch nicht zu töten, machte Drake ein wenig Hoffnung. Die Leute wurden stattdessen gefesselt und geknebelt, und die Widerspenstigen schlug man bewusstlos, aber immerhin würden sie noch leben, wenn die Sonne wieder aufging, und das schien ihm ein gutes Zeichen zu sein.
Sie waren fast hundertprozentig sicher, dass sie den richtigen Ort gefunden hatten. Zusätzlich zu dem, was Margaret Xin Drake am Telefon erzählt hatte, wussten sie dank Yablonski nun auch von einer weiteren Tatsache, die ihre Vermutungen bekräftigte: Die dreihundert Soldaten, die in den 1940er Jahren nahe Nanjing verschwunden waren, hatten ihr Lager auf dem Dulongfu aufgeschlagen, einem Hügel am Fuße der Zijin-Shan-Berge.
Dort, wo sich heute das Ming-Xiaoling-Mausoleum befand.
Jetzt rannten sie im Schein des Mondes über das Mausoleumsgelände auf den Seelenturm und den Schatzhügel dahinter zu. Auf dem gewundenen Pfad passierten sie die steinernen Figuren von echten Tieren und Fabelwesen und kurz darauf auch menschliche Statuen. Mehrere kleine Brücken später erreichten sie ein rotes Tor, und von dort ging es weiter über ein offenes Plateau, wo nur noch die Stümpfe der Tempelsäulen von dem Gebäude zeugten, das sich einmal dort befunden hatte. Eine weitere Brücke brachte sie zu einem Tunnel, und dann näherten sie sich schließlich dem Seelenturm, einer gewaltigen Steinkonstruktion, die an den Schatzhügel grenzte.
Yablonskis Rechercheteam hatte Artikel und Berichte über die Archäologen und ihre Arbeit ausgegraben, in denen Angaben zur Position der Gruft gemacht wurden. Sie mussten also nicht den ganzen Hügel absuchen, um den Tunnel zu finden. Henriksen hatte eine Karte, auf der der Ort genau markiert war, und Corelli und Perkins führten sie direkt dorthin. Die Söldner huschten wie Schatten hinter ihnen her.
Obwohl sie Waffen und Rucksäcke trugen, bewegten sie sich völlig lautlos, das musste Drake ihnen lassen. Das einzige Geräusch hier oben auf dem Hügel war das Heulen des Windes. Wegen der Bäume rings um das Gelände drang nicht einmal der nächtliche Lärm der Stadt an ihre Ohren. Es fühlte sich an, als hielte die Nacht den Atem an.
Ein Tor aus Maschendraht mit einem schweren Vorhängeschloss war angebracht worden, um den Tunneleingang zu versperren. Perkins winkte einer verkniffen dreinschauenden
Weitere Kostenlose Bücher