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Und abends etwas Liebe

Und abends etwas Liebe

Titel: Und abends etwas Liebe
Autoren: Mary Scott
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geraten.
    Paul bemerkte kurz: »Also gut, wenn deine Mutter einverstanden ist. Wenn ja, dann sehe ich keinen Grund, warum du zurückgehen solltest. Und vielleicht solltest du besser auf die Anrede >Onkel< verzichten.«
    Die Schlacht war gewonnen. Wir hatten uns eine siebzehn Jahre alte Nichte zugelegt, und ich fragte mich nur, was wir mit ihr anfangen würden.
    An diesem Abend, als ich glaubte, Paul sei bereits eingeschlafen, sagte er plötzlich: »Widerlich, wie das bei denen zugeht. Claudia ist ein richtiges kaltes Biest. Als sie einmal hier war, habe ich schon gemerkt, daß sie für Kinder nicht viel übrig hat. Sie sah nur ihre Verehrer. Was hältst du von Tony?«
    Hier war äußerste Vorsicht geboten. Ich sagte: »Ich mag sie sehr gerne.«
    Mit einer Erleichterung, die für meine Familie wenig schmeichelhaft war, sagte er begeistert: »Gott sei Dank.« Und dann: »Glaubst du, sie wird uns hier zur Last fallen?«
    »Zur Last? Überhaupt nicht«, meinte ich überzeugt. »Ich freue mich riesig.«
    Paul schien wirklich erleichtert und sagte: »Schließlich wird es nicht anders sein, als hätten wir eine ältere Tochter.«
    Ich schluckte. Ich war dreißig und Tony siebzehn.
    Paul grunzte zufrieden, aber dann wurde er plötzlich unruhig, und mit fester Stimme sagte er: »Du mußt gut auf sie aufpassen, Susan. Stell dir vor, das Mädchen ist ganz alleine bis hierher gekommen. Aber sie mag unsere Gegend, nicht wahr?«
    Ja, das tat sie wirklich.
    Dann hatte ich eine Idee. »Ich nehme an, Tony ist vor allem wegen dir zu uns gekommen. Schließlich ist sie deine Nichte. Und deshalb findet sie bei uns auch alles so schön.«
    Eine der wenigen Sternstunden in meinem Leben. Eine Stunde, die Paul für immer auf die Seite seiner Nichte bringen sollte.
     
     
     

4
     
    Es lag auf der Hand, daß Tony unter starken inneren Spannungen litt, als sie bei uns eintraf. So leicht ihr das Ganze zu fallen schien, so schwer fiel es ihr doch in Wirklichkeit, sich von allen ihren Freunden und ihrem Zuhause zu lösen, auch wenn sie dort nicht gerade glücklich gewesen war. Wir waren für sie zunächst nichts weiter als entfernte Verwandte, denen sie vorher noch nie begegnet war. Wir hatten sie eher für eine rührendtraurige, kleine Person gehalten, deren Lage sie nur um so bedauernswerter machte. Sogar Paul hatte gesagt: »Scheint ein stilles Kind zu sein. Vielleicht sollte man sie ein wenig aufrütteln.«
    Aber schon während der ersten und zweiten Woche nach ihrer Ankunft begann sie sich zu entfalten, fast wie eine Pflanze, der das Wasser gefehlt hatte und der man plötzlich die richtige Pflege angedeihen ließ. Wir waren überrascht, festzustellen, daß Tony in Wirklichkeit überhaupt nicht traurig oder melancholisch war. Sie hatte genau das fröhliche, aufgeschlossene Wesen, auf das die geschwungenen Linien in ihrem kleinen Gesicht von Anfang an hatten schließen lassen. Ich konnte jetzt durchaus verstehen, warum Tony bei ihren Mitschülerinnen so beliebt gewesen war. Die große Zahl von Briefen, die Annie treuherzig umadressiert hatte und die inzwischen für Tony bei uns eingegangen war, stellte den besten Beweis dar.
    Eines Tages sagte Larry, wesentlich taktvoller als Paul: »Es muß doch schön für dich sein, Tony um dich zu haben. Wie eine jüngere Schwester.«
    Das hörte sich schon besser an, als von einer älteren Tochter zu sprechen. Aber trotzdem meinte ich: »Ja, wenn es ihr auch weiterhin bei uns gefällt. Ob das alles aber so bleibt? Schließlich habe ich mehr als einmal davon gehört, rothaarige Menschen seien entsetzlich temperamentvoll.«
    »Ich glaube nicht, daß Tony diese Art von Temperament hat. Sie ist absolut normal, außer vielleicht...«
    Das hörte sich beunruhigend an, und ich fragte unseren Spezialisten für Kinderpsychologie danach, welchen Knacks Tony denn bereits erkennen ließe. Ernst und ohne den beißenden Spott in meiner Frage zu beachten, sagte Larry: »Oh, nur, daß sie so furchtbar jung ist. Siebzehn. Kaum zu glauben. Gott, wenn ich daran denke, wie ich mit siebzehn Jahren war!«
    »Übrigens nehme ich heute nachmittag Tony mit zu Anne. Willst du nicht auch kommen?«
    »Ich hoffe, der Colonel ist auch da. Ich habe so das Gefühl, Tony wird in seinen Augen das ideale junge Mädchen sein.«
    Und Tony eroberte Colonel Gerard im Sturm. Obwohl sie sich uns gegenüber inzwischen sehr offen und fröhlich gab, war sie in Gegenwart älterer Leute immer noch ein wenig scheu. Dadurch wirkte sie eher angenehm
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