Und bitte für uns Sünder
an mich
gewandt hinzu, »des is nix Gâscheits.«
Vorsichtshalber sagte ich lieber gar nichts. GroÃmutter blieb noch
kurz beim Friedhofskomposthaufen stehen.
»Schad«, sagte sie und überlegte sich anscheinend gerade, ob sie aus
Ermangelung einer Tüte die weggeworfenen Stiefmütterchen in die feine
Handtasche stecken sollte.
»Geh, Oma«, sagte ich verzweifelt und zerrte an ihrem Arm. Aber so
war das bei uns. Da gabâs die mit dem Gräberturnus und die ohne Gräberturnus.
Die Ernsdorfers, zum Beispiel, die hatten halt ihre Prinzipien. Im April, da
warâs langsam Zeit, den Grabschmuck zu ändern, da kamen dann die
Stiefmütterchen aus der Schale, egal, wie sie aussahen. Ich will jetzt nicht
genauer darauf eingehen, auf welchem Grab die Ernsdorfer-Stiefmütterchen
weiterblühen durften. Und es lag ja nur daran, dass die Ernsdorfers noch keine
Not kennengelernt hatten. Wenn es so gewesen wäre wie bei GroÃmutter, dann
würden die auch schauen, dass sie ausrangierte Stiefmütterchen bekamen.
Manchmal standen die bei uns noch wochenlang auf dem Balkon, weil es meistens
zu viele Stiefmütterchen für so eine einzelne Schale waren. Wir hatten nämlich
auÃerdem eine viel kleinere Grabschale als die Ernsdorfers.
»Liegt ja nur eine drin«, pflegte GroÃmutter zu sagen. Als würde
sie, wenn dort eine ganze Horde von Wilds liegen würde, eine gröÃere Schale
kaufen.
Immerhin hatte ich es geschafft, GroÃmutter von den
Stiefmütterchen wegzuziehen. DrauÃen wartete Max auf mich. Lehnte in der Sonne
an der Friedhofsmauer und sah entspannt und zufrieden aus. Nun, da konnte man
leicht entspannt sein, wenn man keine GroÃmutter am Arm hatte, die ernstlich
vorhatte, Stiefmütterchen zu ihrer Geldbörse und dem Schnäuztüchl zu stecken.
»Und, wie warâs?«, wollte er träge wissen.
»Wärst halt selber hingegangen«, antwortete ich schnippisch.
»Der Chor hätt länger üben können«, schlug die GroÃmutter vor, »und
die Böllerschüsse hätten sie sich auch sparen können. Ich hab jetzt noch
Ohrensausen von dem Krach.«
GroÃmutter hakte sich bei Max ein. »Vielleicht sollte ich doch noch
mal zum Kompost. Die Stiefmütterln ham noch richtig gut ausgâschaut.«
»Geh weiter«, formte ich tonlos die Nachricht an Max.
»Was ist, was zerrst denn so an mir rum?«, fragte sie mich
missmutig.
»Wenn ich mir überleg«, versuchte ich das Thema zu wechseln, »dass
der Kreiter dem Ernsdorfer einen Reliquienschrein bauen wollte. Schlimm.«
GroÃmutter schnaubte böse und war jetzt Gott sei Dank vom
Friedhofskomposthaufen abgelenkt. »Was sich der Kreiter immer für einen
Schmarrn ausdenkt. Der alte DipferlscheiÃer.«
Das mit dem Reliquienschrein war nicht das Schlimmste, fand ich. Die
Vorstellung, dass sie die heilige Kniescheibe des armen Ernsdorfers bei Ebay
hätten versteigern können, das war doch wirklich schlimm. Und dann wäre den
jungen Ernsdorfers sicher die Hand faulig geworden oder die Zunge schwarz, so
als Gottesstrafe dafür, dass sie nicht zugegeben hatten, dass das gar nicht der
heilige Ignaz sein konnte.
Hinter uns kamen jetzt die ersten Trauergäste vom Friedhof,
vorneweg der Schmalzlwirt und der Kreiter mit düsterer Miene. Kein Wunder.
Nachdem das mit der Vermarktung der Ernsdorfer-Knochen nicht geklappt hatte,
war die ganze Luft raus.
»Mia gangst«, sagte der Schmalzlwirt nur und warf mir einen bösen
Blick zu. Als wäre ich schuld, dass der Ernsdorfer nicht der heilige Ignaz war.
Allein schon der Gedanke, dass ich im Fernsehen hätte sagen sollen, dass ich
beim Anblick der Ernsdorferschen Knochen eine Erleuchtung gehabt hatte,
bereitete mir Ãbelkeit. Der depperte Schmalzlwirt, der depperte.
Max sah mich fragend an, weil er den Kommentar vom Schmalzlwirt
nicht verstanden hatte. Ich grinste von einem Ohr zum anderen. Für bestimmte
Sachen gab es keine Ãbersetzung, damit musste sich auch die Polizei abfinden.
AuÃerdem fiel mir an dieser Stelle ein, dass der Schmalzlwirt uns
Kindern immer furchtbare Angst eingejagt hatte, wenn wir zum Beispiel neugierig
stehen blieben, um ihm zuzuschauen. Beim Schneeschaufeln. Oder, noch schlimmer,
wenn er seine Sense holte, um das hohe Gras niederzumähen. Das war ein
Gegrusel. Denn spätestens nach fünf Minuten hielt er inne, die Sense noch in
der Hand,
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