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Und dann gabs keines mehr

Und dann gabs keines mehr

Titel: Und dann gabs keines mehr Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Agatha Christie
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saß in einem Bummelzug aus Plymouth. In seinem Abteil war nur noch eine andere Person, ein älterer Seebär mit einem triefenden Auge. Jetzt war er eingenickt und in Schlaf versunken.
    Mr. Blore schrieb sorgfältig in ein kleines Notizbuch.
    «Das sind jetzt alle», murmelte er vor sich hin. «Emily Brent, Vera Claythorne, Dr. Armstrong, Anthony Marston, der alte Richter Wargrave, Philip Lombard, General MacArthur (mit mehreren hohen Orden ausgezeichnet) – und der Butler und seine Frau: Mr. und Mrs. Rogers.»
    Er klappte das Notizbuch zu und steckte es in die Tasche zurück. Er warf einen Blick in die Ecke des Abteils, auf den schlafenden Mann.
    «Einen zu viel getankt», tippte Mr. Blore richtig.
    Sorgfältig und gewissenhaft ging er in seinem Kopf noch einmal alles durch.
    «Dürfte nicht allzu schwer sein», sagte er sich. «Kaum zu vermasseln. Hoffentlich ist in Ordnung, wie ich aussehe.»
    Er stand auf und musterte sich sorgfältig im Spiegel. Das Gesicht im Spiegel hatte mit dem Schnurrbart einen leicht militärischen Einschlag, es besaß wenig Ausdruck. Die Augen waren grau und standen ziemlich nah zusammen.
    «Könnte ein Major sein», fand Mr. Blore. «Nein, das hab ich ganz vergessen. Da ist ja dieser alte General. Der würde mir sofort auf die Schliche kommen», vermutete Mr. Blore. «Ich hab’s! Südafrika. Keiner von diesen Leuten ist je in Südafrika gewesen, und ich habe gerade diesen Reisebericht gelesen. Darüber kann ich gut reden.»
    Was für ein Glück, dass es in den Kolonien alle möglichen Typen und Arten von Menschen gab. Als vermögender Herr aus Südafrika würde er in jeder Gesellschaft willkommen sein, sagte sich Mr. Blore.
    Nigger Island. Er erinnerte sich an die Insel aus seiner Jugendzeit… Ein ziemlich übel riechender, von Möwen bevölkerter Felsen – der etwa eine Meile vor der Küste aus dem Meer ragte. Den Namen hatte er von seiner Ähnlichkeit mit einem Männerkopf – einem Kopf mit wulstigen Lippen.
    Komische Idee, gerade dort ein Haus zu bauen! Grauenhaft bei schlechtem Wetter. Aber Millionäre steckten voller Verrücktheiten! Der alte Mann in der Ecke wachte auf und sagte: «Beim Meer weiß man nie nich. Niemals.»
    «Stimmt», erwiderte Blore. «Das weiß man nie.» Der alte Mann rülpste zweimal und klagte: «Braut sich was zusammen, da draußen.»
    «Nicht doch, Käpten. Es ist ein herrlicher Tag.»
    «Da braut sich was zusammen», beharrte der Alte starrsinnig. «Ich kann’s riechen.»
    «Vielleicht haben Sie Recht», lenkte Blore ein. Der Zug hielt an einem Bahnhof, und der alte Mann erhob sich schwankend.
    «Hier isses. Ich muss raus.» Er fummelte am Türgriff herum. Blore half ihm. Der alte Mann stand am Ausgang. Er hob feierlich die Hand und blinzelte mit seinem tränenden Auge. «Wachet und betet», rief er. «Wachet und betet. Der Tag des Gerichts ist nah.» Er fiel durch die Tür auf den Bahnsteig. Am Boden liegend schaute er zu Blore auf und sagte mit großer Würde: «Ich spreche zu Ihnen, junger Mann. Der Tag des Gerichts ist nah.» Blore sank in seinen Sitz zurück und dachte: «Er ist dem Tag des Jüngsten Gerichts näher als ich!» Aber in diesem Punkt irrte er sich…

Zweites Kapitel

I
     
    V or dem Bahnhof von Oakbridge stand eine kleine Gruppe von Menschen unschlüssig herum, hinter ihnen Gepäckträger mit Koffern. Einer von ihnen rief laut: «Jim!»
    Der Fahrer eines der Taxis trat vor.
    «Sind Sie das für Nigger Island?», fragte er mit weichem Devon-Akzent. Vier Stimmen bejahten – und beäugten einander kurz darauf misstrauisch.
    Der Fahrer wandte sich an Richter Wargrave als dem ältesten Mitglied der Gruppe:
    «Es gibt hier zwei Taxis, Sir. Eins muss noch warten, bis der Regionalexpress aus Exeter eintrifft – dauert keine fünf Minuten –, ein Gentleman fehlt noch. Vielleicht würde einer von Ihnen noch mit hier warten? Das wär für Sie am bequemsten.»
    Vera Claythorne war sich ihrer Stellung als Sekretärin bewusst und ergriff das Wort:
    «Ich werde warten», sagte sie. «Wenn Sie dann schon einmal vorausfahren?» Sie musterte die anderen drei, und ihr Blick und ihre Stimme strahlten eine Entschiedenheit aus, wie man sie erwirbt, wenn man jahrelang gewohnt ist, Autorität auszuüben. Als stünde sie auf dem Schulhof und würde die Mädchen zum Tennisspielen einteilen.
    «Danke sehr», sagte Miss Brent steif, nickte mit dem Kopf und enterte eines der Taxis, dessen Tür der Fahrer für sie aufhielt.
    Richter Wargrave folgte

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