Und dann kusste er mich
Sophie spielte Saxophon in einer Band aus Mittvierzigern, die auf leicht bekömmliche Fahrstuhl musik standen, und Tom und Wren waren die Ältesten in einer chaotischen Teenager-Trash-Metal-Band namens R.T . A (die den Begriff »Krach« erfunden zu haben schienen). Wie so viele Ideen, die morgens um drei unter dem Einfluss von Unmengen von Rotwein und Sambuca entstanden, wurde auch diese begeistert diskutiert und einstimmig für brillant befunden. Und so hielten The Pinstripes ihren gloriosen Einzug in die Partybandszene.
In diesen sieben Jahren erlebten wir alptraumhafte Gigs, Stromausfälle, Prügeleien (zum Glück nicht in unseren Reihen) und mehr als nur einen älteren Schwerenöter, der verzückt die Bühne zu stürmen versuchte. All das überstanden wir relativ schadlos und einigermaßen erfolgreich. Sophie war nach zwei Jahren ausgestiegen, da sie an der örtlichen Gesamtschule, wo sie arbeitete, zur Leiterin des Fachbereichs Musik befördert wurde. Aber hin und wieder ließ sie sich zum Mitspielen überre den, vor allem, wenn wir an einem besonders großartigen Veranstaltungsort auftraten. Da wir alle unsere normalen Jobs hatten, bedeutete die Band für uns eine Menge Spaß und war obendrein ein willkommener Nebenverdienst.
Außerdem erfuhren wir auf die Art sehr viel darüber, wie man eine Hochzeit organisierte und wie man sie besser nicht organisierte. Nach wie vor staunte ich darüber, wie grauenvoll manche Hochzeiten abliefen. Wir amüsierten uns köstlich darüber, vor allem Wren und ich, da wir uns stundenlang genüsslich über jedes grausige Detail auslassen konnten. Und dann gab es die Hochzeiten, die wirklich inspirierend waren – wenn alles wie von selbst funktionierte und wir, vom Adrenalin beflügelt, zur Höchstform aufliefen. Von diesen Veranstaltungen sprachen wir auch hinterher noch voller Hochachtung und Ehrfurcht, denn sie waren der Beweis dafür, dass wir mit unserer Musik etwas bewirken konnten. Die Jungs aus der Band sahen das Ganze eher zynisch, doch auch sie wurden schon dabei beobachtet, wie sie bei besonders bewegenden Feierlichkeiten heimlich ein paar Tränchen zerdrückten.
Ich hatte im Verlauf meines Lebens schon in verschiedenen Bands gesungen und konnte mit Fug und Recht behaupten, dass nichts so viel Spaß machte, wie mit den besten Freunden aufzutreten. Man verstand sich auf einem anderen Level – als wüssten wir alle immer, was die anderen dachten. Und das liebte ich.
Die Geschichten über unsere Gigs waren unter uns Bandmitgliedern ein beliebtes, unerschöpfliches Thema. Diese gemeinsamen Erlebnisse hatten uns fest zusammenschweißt, doch Freunde, die keine Musiker waren, reagierten häufig gereizt und gelangweilt, wenn wir uns samstagabends am großen Esstisch von Jack und Soph stundenlang über schiefgelaufene Songs oder eigenartige Hochzeitsfeiern unterhielten. Wir nahmen uns immer wieder vor, diese Geschichten im Beisein Außenstehender zu reduzieren, aber meistens blieb es bei dem frommen Vorsatz. Über kurz oder lang ertappten wir uns doch dabei, dass wir schon wieder seit Stunden fröhlich über alle möglichen Auftritte schwatzten. Diese Haltung führte zu einigen Zerwürfnissen, worauf ich weiß Gott nicht stolz war. Obwohl Wren es nicht zugeben würde, war die enge Verbundenheit innerhalb der Band einer der Hauptgründe, weshalb Matt, ihr letzter Freund, nach relativ kurzer Zeit das Weite gesucht hatte. Sophie erzählte mir, er habe Wren vor die Wahl gestellt: entweder er oder The Pinstripes. Nun ja, das Ergebnis war bekannt.
Natürlich gab es etliche Herausforderungen für eine Band, die sich auf festliche Veranstaltungen spezialisiert hatte: allein die Logistik, fünf überbeschäftigte Leute für die Proben zusammenzutrommeln, dann die internen Zankereien, die gelegentlich aufflackerten, der Stress beim Verladen der Instrumente und bei den stundenlangen Soundchecks, die langen Nächte und die oft noch längeren Heimfahrten in den frühen Morgenstunden, wohl wissend, dass die Ausrüstung noch aus dem Van ausgeladen werden musste, ehe man ins Bett kam. Und trotzdem war es einfach großartig, mit seinen Freunden herumhängen zu können und dafür auch noch bezahlt zu werden. Dagegen erschienen all die negativen Seiten völlig bedeutungslos.
Für mich waren es die schönsten Momente, wenn wäh rend der Soundchecks spontane Jamsessions entstanden oder wenn wir zu einer unchristlich frühen Stunde in ir gendwelchen Tankstellenrestaurants leidenschaftlich über
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