Und dann kusste er mich
Musik diskutierten. Ich könnte es niemals ertragen, all das zu verlieren. Und doch würde es geschehen, wenn ich die Situation mit Charlie weiterhin ignorierte.
Als ich an diesem Abend allein in meinem Schlafzimmer saß und das Telefon anstarrte, wurde mir klar, dass Wren recht hatte: Ich musste ihn anrufen. Und so nahm ich all meinen Mut zusammen und wählte Charlies Nummer.
Schon bei seinen ersten Worten nahm ich die Anspannung in seiner Stimme wahr. »Rom … hey.«
»Hi, Charlie.«
»Ich wusste neulich einfach nicht, was ich … sagen soll … oder tun …«
»Entschuldige. Ich war total verunsichert.«
»Da warst du nicht allein«, bemerkte Charlie lachend. Mein Magen krampfte sich zusammen, und ich schluckte. Nach einer längeren Pause fragte er: »Bist du noch dran?«
»Ja.«
»Mensch, Rom, was für ein Durcheinander. Können wir uns morgen treffen?«
»Ich weiß nicht …«
»Sag nicht Nein, Rom. Hör einfach zu, okay?«
»Okay.«
Ich hörte, wie er am anderen Ende der Leitung nervös durchatmete. »Cool. Was du gestern gesagt hast … na ja, ich habe darauf nicht sehr nett reagiert.«
Was du nicht sagst!
»Ich hätte anders damit umgehen müssen. Und vor allen Dingen hätte ich nicht aufgeben sollen, als du mich weggeschickt hast.«
»Ist schon okay, ehrlich.«
»Ich finde, wir sollten uns aussprechen, Rom, die Situation klären. Es wäre schrecklich, wenn sich das auf unsere Freundschaft auswirken würde …«
Gott bewahre! »Das wird nicht …«
»… und auf unsere Auftritte. Schon allein wegen der Band müssen wir wieder miteinander ins Reine kommen.«
Pragmatisch, wie Charlie nun mal war, hatte er es geschafft, eine peinliche Situation in einen Sachzwang zu verwandeln. »Da gebe ich dir völlig Recht.«
»Cool. Also … äh … morgen früh um acht bei Harry’s? Das Frühstück geht auf mich, okay?«
Ich schnitt eine Grimasse ins Telefon: »Gut. Bis dann.«
Ich warf das Telefon ans Bettende, ließ mich nach hinten fallen und schob das Kissen über meine brennenden Augen.
In der Nacht tauchte der Fremde vom Weihnachtsmarkt abermals in meinen Träumen auf. Und wieder lag ich geborgen in seinen Armen, atmete den Duft seiner Haut ein, ertrank in diesem wundervollen, intensiven Blick.
»Hallo, meine Schöne.«
»Hallo, du.«
»Ich warte darauf, dass du mich findest.«
»Wirklich? Aber du kennst mich doch gar nicht.«
»Mein Herz kennt dich. Und mein Herz hat dich gesucht.«
»Ich weiß nicht, wie ich dich finden soll.«
Er lächelte, sein Gesicht bewegte sich näher zu meinem, sein warmer Atem umschmeichelte meine Lippen. »Folge deinem Herzen, meine Schöne.«
»Was bedeutet das denn?«
Er zuckte die breiten Schultern. »Ich weiß es nicht. Dies ist dein Traum. Aber sagen das nicht immer die Hel den in diesen Liebesschnulzen, die du so gerne siehst?«
»Das ist nicht gerade hilfreich.«
Zärtlich strich er mir über die Wange, und in seinen Augen lag so viel Liebe, dass ich ihm seine mangelnde Hilfsbereitschaft sofort verzieh. »Dein Herz kennt mich, meine Schöne. Also folge deinem Herzen …«
Ruckartig erwachte ich, setzte mich auf und starrte in das rosa-goldene Morgenlicht, das durch einen Vorhang spalt hereindrang. Die Vögel sangen bereits, und ein neuer Tag erwachte. Mein Herzschlag rauschte in meinen Ohren, als die Erinnerung an den unvergleichlichen Kuss zurückkehrte.
Wren hatte recht. Ich musste ihn finden.
Aber jetzt stand mir erst einmal das Treffen mit Charlie bevor.
3
You’ve got a friend
An diesem Morgen packte ich mich so dick ein, wie ich nur konnte, und schlitterte auf dem vereisten Pflaster zum Bahnhof. Insgeheim hoffte ich, die nahezu arkti schen Wetterbedingungen würden zu beträchtlichen Ver spätungen führen und mir das peinliche Gespräch ersparen, das mich erwartete. Doch der Zug nach Birmingham erreichte auf die Minute pünktlich sein Ziel, und obwohl ich langsamer als sonst zur Bushaltestelle trottete, erwischte ich sogar den Bus noch. Es gab kein Entkommen. Also stieg ich schicksalsergeben ein und suchte mir einen Platz.
Gedankenverloren starrte ich vor mich hin, während draußen die Vororte in einem verschwommenen Nebel vorbeizogen. Um mich herum quasselten Kinder und Jugendliche aufgeregt durcheinander, in ihrem Lachen klang die Vorfreude auf das bevorstehende Weihnachtsfest mit. Zwei Tage vor dem Fest der Feste bewegte alle Fahrgäste dieselbe Frage: Würde es in diesem Jahr schneien?
»Bei Midlands Today haben sie gesagt, dass
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