"Und dann werde ich das größte Zeitungshaus Europas bauen" - der Unternehmer Axel Springer
war diese Entwicklung nur noch wenig von Belang, da sich Springer zunehmend aus der operativen Verlagsführung zurückzog und verlegerische Gespräche mit Außenstehenden auf einen handverlesenen Personenkreis beschränkt blieben.
Wirtschaftliche und politische Einflussfaktoren
Unternehmerische Erfolgsfaktoren sind nicht nur aus der Binnenwelt eines Unternehmens, geschweige denn allein aus einer Unternehmerperson heraus erklärbar. Bereits in der Einleitung wurde die Bedeutung von Rahmenbedingungen für den unternehmerischen Erfolg hervorgehoben. So folgt unternehmerisches Wirken naturgemäß nicht nur eigenlogischen Entwicklungslinien, sondern steht in einem fortwährenden Spannungsverhältnis zum jeweiligen zeitgeschichtlichen Hintergrund. In ganz besonderem Maße muss dies für Springer gelten, der sein Unternehmen nicht nur in signifikanten Umbruchphasen des 20. Jahrhunderts begründete, sondern im Medienbereich auch besonders nah am politischen Puls der Zeit agierte. Bereits die verlegerischen Anfänge waren Folge der kriegswirtschaftlichen und propagandapolitischen Entscheidung des nationalsozialistischen Regimes, eine Vielzahl von Tageszeitungen, darunter auch die elterliche
Hamburger Neueste Zeitung
, zu schließen. Aus den weiteren politischen Entwicklungen und Zäsuren erwuchsen unternehmerische Möglichkeiten, die Springer geschickt für sich zu nutzen wusste. Angeführt sei die Bedienung der hohen Buchnachfrage im Krieg und in der unmittelbar Nachkriegszeit, die Herausgabe einer Programmzeitschrift während der Neuordnung des Pressewesens, die Etablierungder ersten parteiungebundenen Tageszeitung in Hamburg nach Kriegsende, die Abdeckung der expandierenden Pressemärkte der Wirtschaftswunderjahre oder die Nutzung der zunehmenden technischen Rationalisierungsmöglichkeiten seit den 1950er-Jahren. Gleichzeitig wirkten politisch induzierte Negativfaktoren, von denen jedoch nur zwei einen unmittelbaren und nachhaltigen Einfluss auf Springers unternehmerisches Handeln entfalteten: der vorläufig verhinderte Einstieg in das Fernsehgeschäft und die massive öffentliche Kritik am Verlagshaus, in deren Folge Springer seinen offensiven Expansionskurs aufgab.
Ungeachtet aller zeitgeschichtlichen Einflüsse und Überformungen, ungeachtet der substantiellen Leistungen und Impulse einflussreicher Weggefährten, bedeutsamer Führungskräfte und unzähliger Mitarbeiter, und ungeachtet der prinzipiellen Schwierigkeit, die Erfolgswirksamkeit von individuellen Entscheidungs- und Handlungsprozessen zu bemessen, war Springers unternehmerisches Wirken auf Basis seiner Eigenschaften und Fähigkeiten in zentraler Weise bestimmend für den wirtschaftlichen Erfolg des Verlagshauses. Seine Innovationskraft und seine Führungsstärke waren die beiden grundlegenden Erfolgsfaktoren, die sich zwar erst in komplexen Interaktionsketten realisierten, jedoch stets unmittelbarer Ausdruck seines originären unternehmerischen Wirkens waren. Gleichwohl sollte bei jeder Betrachtung von Erfolgsfaktoren der Eindruck einer erfolgsparadigmatischen Sicht vermieden werden. Wirtschaftlicher Erfolg ist weder monokausal erklärbar noch Ausdruck vermeintlicher Eigenlogiken und narrativer Kontinuitätslinien. Die Ausführungen haben beispielhaft aufgezeigt, dass unternehmerisches Wirken stets von einem Wechselspiel aus Aufschwüngen, Stagnation und Abschwüngen gekennzeichnet ist, wenige Siege von vielen Niederlagen begleitet werden und unerwartete Umbrüche Sichergeglaubtes immer wieder in Frage stellen.
Für Springer verlor die erfolgsparadigmatische Interpretation seines unternehmerischen Wirkens in den späteren Jahren zusehends an Bedeutung. Die Gründe lagen nicht nur in der Dominanz der politischen Zielsetzungen, sondern vor allem in der zunehmenden Orientierung an religiösen Werten. Während der letzten Aufsichtsratssitzung, der Springer im September 1985 beiwohnte, wurde zwar das unternehmerische Lebenswerk des vom Tode gezeichneten Verlegers gewürdigt, doch der Geehrte selbst nutzte die Gelegenheit, um ein letztes Mal ein politisches Bekenntnis für ein wiedervereinigtes Deutschland und ein ungeteiltes Berlin abzugeben. 3 Zweieinhalb Wochen später starb Springer und fand seine letzte Ruhe unter einem Grabstein, dessen Inschrift keinerlei Hinweis auf sein unternehmerisches Schaffen gibt. Schon Jahre zuvor hatte er einem engen Vertrauten das Bild skizziert, das die Nachwelt von ihm haben sollte und das zugleich grundlegend seinem
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