Und das ewige Licht leuchte ihr - Granger, A: Und das ewige Licht leuchte ihr - Rattling the bones
andere durch ein Labyrinth voller Sackgassen, Hindernisse und Fallen jagt. Und dann war er weg.
Ich hatte ihn so lange verfolgt, hatte trotz all seiner Tricks unbeirrbar an seinen Fersen geklebt, dass ich zuerst nicht glauben konnte, ihn tatsächlich verloren zu haben. Die Erkenntnis, dass er mich abgeschüttelt hatte, traf mich wie ein schmerzhafter Schlag. Ich eilte noch ein paar Ecken weiter, suchte vergeblich die Gänge nach einer Gestalt in einer weißen Kappe ab – nichts.
Menschen schoben sich an mir vorbei, Musik drang blechern an meine Ohren und Geschnatter in einem halben Dutzend verschiedener Sprachen. Doch ich war allein.
Ich konnte mir denken, wie er es angestellt hatte. Wahrscheinlich hatte er einen günstigen Zeitpunkt abgewartet und dann die auffällige weiße Kappe abgesetzt. Er hatte sich geduckt, sich durch einen der Bekleidungsstände gezwängt und war in den parallelen Gang dahinter geflüchtet. Wahrscheinlich war er längst zurück auf der Camden High Street.
Ich kehrte auf dem gleichen Weg zurück, auf dem ich gekommen war, obwohl mir klar war, dass es keinen Zweck hatte. Ich blickte mich suchend in alle Richtungen um, doch ich vermochte beim besten Willen nicht zu sagen, wohin er verschwunden war. Vielleicht war er in die U-Bahn-Station gegangen und stand nun auf einer Plattform tief unter mir. Er kannte sich in dieser Gegend aus und hatte seine Ortskenntnis benutzt, um mir zu entwischen. Doch es war auch mein Revier, und ich war wütend auf mich selbst, dass ich ihn so unterschätzt und ihm ermöglicht hatte zu entkommen.
In einer von Menschen nur so wimmelnden Metropole trifft man unablässig Menschen und verliert sie wieder aus den Augen. Leben berühren sich für einen Moment, passieren einander wie die sprichwörtlichen Schiffe in der Nacht, und in kürzester Zeit ist jede Spur dieser Begegnung erloschen, als hätte es sie nie gegeben.
Doch ich hatte immer an Edna denken müssen, und ich hatte mich oft gefragt, was aus ihr geworden sein mochte. Sie war Bestandteil meiner ersten Ausflüge in das Detektivgeschäft, sie hatte mir sogar einen nützlichen Hinweis geliefert, und ich fühlte mich ihr in gewisser Weise verpflichtet.
Während ich also noch schwitzend und außer mir vor Wut dort stand und hechelnd nach Luft rang, schwor ich mir, beim nächsten Mal vorbereitet zu sein! Ich halte die Augen nach dir offen, Kerl, und ich erkenne dich wieder. Edna hat dich auch erkannt … und sie hatte Angst vor dir.
Ich hätte wahrscheinlich ebenfalls Angst gehabt, wenn ich bei Trost gewesen wäre. Doch wie ich bereits gesagt habe: Schlimme Situationen üben eine beinahe magische Anziehungskraft auf mich aus.
Wie Licht auf Motten.
KAPITEL 2
Das unerwartete Zusammentreffen mit Edna hatte mich an das erinnert, was ich erst vor so kurzer Zeit hinter mir gelassen hatte. Ich bin sehr wenig herumgekommen in meinem Leben und war kaum jemals außerhalb von London. Das ist für sich genommen schon ein wenig seltsam heutzutage, schätze ich. Andererseits habe ich eine Menge spirituelle Reisen hinter mich gebracht, während ich aus der vernunftbestimmten Normalität (wenn man die zusammengeflickte Welt von Großmutter und Dad so nennen konnte) in die Obdachlosigkeit geglitten war und wieder aus ihr zurück.
Für die meisten »normalen« Menschen ist die Welt der Leute ohne Familie und Heimat ein fremdes Land, und doch müssen sie nur einen Schritt vor ihre Haustür machen, um seine Bewohner zu erspähen. Wenn ihnen danach ist, sie zu sehen, heißt das, und den meisten ist entschieden nicht danach. Sie werfen einen Umhang der Unsichtbarkeit über das Elend und eilen hastig vorüber.
Diese eigenartig verzerrte »andere« Welt folgt einer merkwürdigen Logik. Sie funktioniert nach ihren eigenen Regeln, errichtet ihre eigenen Gesetze und hat manchmal sogar ihre eigene Zeit. Ganze Gemeinschaften blühen und gedeihen in sogenannten aufgelassenen Häusern mit der Androhung der Zwangsräumung über dem Kopf wie ein Damoklesschwert. Unbeständigkeit als Lebensstil. Wer wirklich keinen anderen Platz kennt als die Straße, um sich zu betten, schläft häufig tagsüber, wenn die Hauptstraße voller achtloser Passanten und luftverschmutzendem Verkehr ist. Des Nachts, wenn Myriaden Gefahren aus den Schatten treten oder in betrunkener Feindseligkeit aus den Clubs und Bars hinaus auf das im Licht der Straßenlaternen feucht glänzende Kopfsteinpflaster torkeln, durchstreifen die Obdachlosen ihre Reviere in
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