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Und das Glück ist anderswo

Titel: Und das Glück ist anderswo Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Stefanie Zweig
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es gewohnt, sich der Wahrheit nur mit kleinen Schritten zu nähern und Unangenehmes zu retuschieren, aber sie fand keinen Trost im Verlangen der Schwachen und Zaudernden nach einer Gnadenfrist. Liesel überlegte, ob sie nach Emil rufen sollte, doch die Courage, die sie nie verlassen hatte, hielt sie auch diesmal zurück. »Deinem Bruder«, sagte sie, »ist absolut nichts Schlimmes passiert. Er hat geheiratet. Nur ist es verdammt kompliziert, dir den Rest zu erklären.«
    »Das kann doch nicht sein! David ist doch noch ein Kind.« »Das haben wir von dir auch gedacht.«
    »Das gibt’s doch alles nicht. Wahrscheinlich schlafe ich schon. Und träume. Wer in aller Welt kommt auf die Idee, meinen kleinen Bruder zu heiraten?«
    »Ein frommes junges Mädchen, das nur redet, wenn es angesprochen wird. Ich glaube, ihre Idee war’s nicht. Ihr Vater ist Rabbiner. Ein ultrafrommer!«
    Liesel hatte erwartet, dass ihre Tochter anfangen würde zu kichern, wenn ihr aufging, was geschehen war, doch Rose zupfte weiter an ihrem dreckigen Hemd und kaute an ihrem strähnigen Haar. Sie wollte fragen, ob denn ein Mann mit einer ultrafrommen Frau nicht telefonieren konnte, was absolut der Fall war, denn der Sabbat war noch nicht vorbei, und vorher würde niemand im Haus von Rabbi Myers den Hörer abheben, doch jedes Wort, das Rose sagen wollte, durchbohrte ihren Kopf wie ein Pfeil. Die bunten Sterne, die sie sah, machten sie schwindlig. Sie schloss die Augen. Nur eine kleine Pause wollte sie machen, bis sie das Leben wieder verstand. Die Welt wurde dunkel. Rose rollte, genau wie Samy es getan hatte, zur Seite und schlief sofort ein. Ihre Mutter knöpfte ihre Kleidung auf, deckte sie zu, so wie sie das Kind immer zugedeckt hatte, das nach Nizza aufgebrochen war. Dann küsste Liesel ihre schlafende Tochter auf die Stirn. Das hatte sie zuletzt vor fünfzehn Jahren gewagt.
    Emil saß im Wohnzimmer, ein bisschen verlegen, weil er den Rover noch nicht fortgebracht hatte, voller Erwartung, obwohl er nicht wusste, was er erwartete. Er hatte den Sportteil des »Manchester Guardian« aufgeschlagen, den er nie las, und vor ihm stand ein Glas Wasser, von dem er noch keinen Tropfen getrunken hatte. Seine Augen waren immer noch rot. Gerötet vom Weinen, als ihn Samys Anruf aus Nizza erreicht hatte. »Alles in Ordnung?«, fragte er.
    »Ich habe ihr von David erzählt.«
    »Das hast du? Dir kann wirklich keiner das Wasser reichen, wenn es um Mut und Willen geht. Was hat sie denn gesagt, als sie erfahren hat, dass ihr Bruder einen Bart hat und nicht nur aussieht wie ein Rabbiner, sondern sich wie einer aufführt und vielleicht demnächst noch einer wird.«
    »Dazu sind wir nicht mehr gekommen. Die werdende Mutter ist vorher eingeschlafen. Wie ein Kind. Ach Emil, ich hab schreckliche Angst. Sie ist abnorm dick, und für mich sieht sie aus, als könnte es jeden Moment losgehen.«
    »Dann sollten wir David anrufen. Sie wird das Bedürfnis haben, ihn zu sehen. Meinst du, der Sabbat ist vorbei?« »Leah hat immer gesagt, es müssen drei Sterne am Himmel sein«, erinnerte sich Liesel.
    »Und wer ist Leah? Der jüdische Papst?«
    »Eine Freundin aus der Nakuru School. Sie kam aus sehr frommer Familie. In Nakuru war es leicht, zum Sabbatende die Sterne zu suchen. Man brauchte nur zum See mit den Flamingos zu schauen.«
    »Ich erinnere mich«, sagte Emil. »Es war eine schöne Zeit, da in Afrika. Die Kinder waren so leicht zu lenken, so ohne Probleme.«
    »Schade«, lächelte die, die sich nie durch den schönen Schein hatte beirren lassen, »dass wir das damals nicht gemerkt haben.«
    Sie gingen in den kleinen Vorgarten, hielten sich an den Händen und suchten die Sterne. Der Himmel war grau, und auch der Geruch der Blätter vom Apfelbaum kündigte bereits den Herbst an. Ohne dass sie es auszusprechen wagten, spürten beide, dass der andere an die Nacht dachte, in der Rose geboren wurde. »Damals«, sagte Emil, »hatte ich nur Angst. Heute bin ich nicht mehr so ein Held. Ich habe eine Riesenangst. Rose ist zu jung zum Kinderkriegen.«
    »Dein Gedächtnis lässt dich im Stich, mein Lieber. Ich war damals genauso alt wie sie heute.«
    »Und dein Idiot von Mann ist auf dem Krankenhausflur eingeschlafen. Die Schwester musste mich wachrütteln. Ich weiß noch, dass sie gesagt hat, erste Babys sind frech und rücksichtslos.«
    »Das war Rose überhaupt nicht. Das hat sie später nachgeholt.«
    Der kleine Witz von einer, die mit vielen Tugenden gesegnet war und so gut

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