und das Pergament des Todes
rollte mit den Augen und legte eine Hand auf ein Paneel an der Wand. »D unkel«, sagte sie knapp. Sofort wurde die Wand schwarz. Bastille sah sich nach mir um. »W ir hatten es auf durchsichtig gestellt, da es so einfacher war, unentdeckt zu bleiben.«
»O h. Und das ist jetzt also Technologie und keine Magie?«
»N atürlich. Das kann schließlich jeder, nicht nur Okulatoren.«
»A ber Australia ist diejenige, die den Drachen fliegt.«
»A ber nicht, weil sie ein Okulator ist, sondern weil sie Pilotin ist. Hör mal, ich muss zurück ins Cockpit. Meine Mutter wird sowieso schon sauer sein, weil ich so lange weg war.«
Ich warf ihr einen prüfenden Blick zu. Es kam mir so vor, als gebe es irgendetwas, das sie wirklich wurmte. »E s tut mir leid, dass ich dein Schwert kaputt gemacht habe«, sagte ich schließlich.
Sie zuckte mit den Schultern. »I ch hatte es von Anfang an nicht wirklich verdient, es zu tragen.«
»W arum sagst du so etwas?«
»J eder sagt das«, erwiderte Bastille, und in ihrer Stimme lag eine gehörige Portion Verbitterung. »S ogar meine Mutter denkt, dass ich nie den Ritterschlag hätte empfangen sollen. Sie war der Meinung, ich sei noch nicht bereit dafür.«
»S ie ist aber auch ziemlich streng.«
»S ie hasst mich.«
Schockiert starrte ich sie an. »B astille! Sie hasst dich bestimmt nicht. Sie ist doch deine Mutter.«
»S ie schämt sich für mich«, führte Bastille aus. »D as war schon immer so. Aber… ich weiß gar nicht, warum ich ausgerechnet mit dir darüber rede. Mach ein Nickerchen, Smedry. Überlass die wichtigen Dinge den Leuten, die wissen, was sie tun.«
Und damit stapfte sie davon, zurück zum Cockpit. Ich seufzte, öffnete dann aber die Glastür und betrat den Raum. Es gab kein Bett, doch in der Ecke fand ich eine aufgerollte Matratze. Der Raum bewegte sich, wie der Rest des Drachen, leicht auf und ab, und jeder Flügelschlag schickte eine sanfte Wellenbewegung durch den lang gezogenen Körper.
Zu Anfang hatte das bei mir für leichte Übelkeit gesorgt, aber langsam gewöhnte ich mich daran. Ich setzte mich hin und starrte durch die gläserne Wand nach draußen. Die Außenwand war noch immer durchsichtig, Bastille hatte nur die Rückwand abgedunkelt.
Unter mir breiteten sich Wolken aus und zogen sich in die Ferne, weiß und klumpig, wie die Oberfläche eines fremden Planeten– oder vielleicht wie Kartoffelbrei, der nicht lange genug gerührt worden war. Die Sonne, die hinter dem Ganzen langsam versank, war ein glänzendes, gelbes Stück Butter, das nach und nach schmolz und dahinschwand.
Wie man aus diesem Vergleich vielleicht ablesen kann, wurde ich langsam hungrig.
Aber immerhin war ich in Sicherheit. Und ich war endlich frei. Raus aus den Ländern des Schweigens und bereit, die Reise anzutreten in das Land, wo ich geboren wurde. Okay, wir würden einen Zwischenstopp in Ägypten einlegen, um meinen Großvater einzusammeln, aber trotzdem war es ein befreiendes Gefühl, in Bewegung zu sein.
Ich war unterwegs. Auf dem Weg, meinen Vater zu finden, und vielleicht auf dem Weg herauszufinden, wer ich wirklich war.
Letztendlich würde ich erkennen, dass mir nicht gefiel, was ich finden sollte. Aber in diesem Moment fühlte ich mich gut. Und trotz des Abgrunds, der sich unter dem Glas auftat, trotz meines Hungers, trotz unseres Ziels– ich merkte, wie ich mich langsam entspannte. Als mir die Augen zufielen, rollte ich mich auf der Matratze zusammen und schlief ein.
Ich wurde dadurch geweckt, dass wenige Meter neben meinem Kopf ein Geschoss explodierte.
Kapitel Vier
Ihr denkt jetzt sicher, ihr hättet es durchschaut, oder? Mein logisches Dilemma? Den Fehltritt in meiner Argumentation? Die Frostbeulen in meinem Denkprozess? Den… äh… Verkehrsstau in meiner gedanklichen Klarheit?
Okay, das Letzte vergessen wir besser.
Auf jeden Fall gibt es– wie ihr bestimmt bemerkt haben werdet– einen Fehler in meiner Logik. Ich behaupte, ein Lügner zu sein. Ganz offen, ohne Arglist, völlig geradeheraus.
Und nachdem ich mich selbst als Lügner bezeichnet habe, fahre ich trotzdem damit fort, ein Buch über mein Leben zu schreiben. Wie könnt ihr dieser Geschichte also noch trauen? Wenn sie von einem Lügner erzählt wird, kann sie dann aus etwas anderem als Unwahrheiten bestehen? Wenn ich immer lüge, muss dann nicht auch meine Behauptung, ein Lügner zu sein, gelogen sein?
Jetzt versteht ihr sicher, warum ich von Frostbeulen im Denkprozess spreche. Lasst mich das
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