Der Friedhofswächter
Sommersturm über Comwall!
Er kam von Westen, wo das Meer lag, und fiel wie ein hungriges Raubtier über das Land.
Er tobte in den Klippen an der Küste, er jaulte weiter, wütete in den Wäldern, bog Bäume wie unter einer zentnerschweren Last und spielte mit den Wolken, als wären diese Wattestücke.
Auch die Dörfer und kleinen Städte verschonte er nicht. Dort heulte er hinein, riß um, was nicht genügend gesichert war, zerrte an den Dächern, ließ Ziegel fliegen und riß Antennen ab.
Auch packte er Fensterläden, schüttelte sie durch, so daß sie heftig gegen das Mauerwerk schlugen.
Er wütete über dem Meer und machte es zu einer kochenden Hölle. Das Wasser warf gewaltige Wellen, die gegen die Klippen anrollten und dort in die Höhe schäumten.
Ein Sommersturm, wie ihn die Menschen kannten und ihn auch nicht weiter tragisch nahmen. Man sollte möglichst nur im Haus bleiben, sonst lief man Gefahr, von umherfliegenden Gegenständen getroffen zu werden. Im Haus befanden sich auch die beiden Männer. Sie hatten es geschafft, noch vor dem Sturm in das abseits stehende Gebäude einzudringen. Es lag außerhalb des Dorfes, war vor fünf Jahren in einer Hanglage gebaut worden und gehörte einem Industriellen aus Manchester, der seine Ferien in Cornwall verbrachte, wenn er die Zeit dafür fand. Er stammte aus diesem Landstrich und konnte seine Heimat einfach nicht vergessen.
Nun stand das Haus leer. Er war im Juni für eine Woche gekommen, danach hatten ihn seine Geschäfte nicht mehr weggelassen. So rechneten auch die beiden Männer, die sich dem Haus im Schutze der Dunkelheit genähert hatten. Sie waren über den Hang gelaufen. Einer hatte sich durch ein Kellerfenster Einlaß verschafft, der zweite stand im Schatten der Haustür und hielt Wache.
Er ärgerte sich, weil der Wind auch Staub mitbrachte, dem er nicht entgehen konnte. Mit seinem Kumpan stand er über Sprechfunk in Verbindung.
Und der Mann im Haus meldete sich. »Alles klar bei dir, Ed?«
»Bis jetzt ja.«
»Und hierin der Bude auch. Sieht so aus, als wäre der Knabe tatsächlich nicht da.«
»Das haben wir doch gecheckt.«
»Weiß ich. Aber du kennst mich. Ich bin eben immer mehr als vorsichtig.« Der Mann im Haus hieß Tidy. Jedenfalls nannte man ihn so, weil er stets einen so netten Eindruck machte. Davon hatten sich schon viele täuschen lassen und es im nachhinein bereut. Die beiden Einbrecher wußten, daß der Besitzer eine teure Bildersammlung besaß, auf die er stolz war. Und einige dieser Gemälde wollten die beiden im Kundenauftrag stehlen. Der Job war in der letzten Zeit härter geworden, das hatten sie zu spüren bekommen. Es gab Alarmanlagen, und auch die Besitzerließen ihre Häuser nicht mehr so leicht allein.
Tidy stand noch im Keller. Er brauchte immer einige Minuten, um die Atmosphäre eines Hauses auf sich einwirken zu lassen. So geschah es auch heute.
Im Finstern stellte er sich hin und lauschte in die Stille. Nein, da war kein Geräusch, das ihn beunruhigt hätte. Das Haus wirkte tot, so als hätte seit langem niemand mehr darin gelebt.
Er ging vor und schaltete seine Stableuchte ein. Der weiße Lichtkegel traf eine Betonmauer, wanderte weiter und hob eine Kellertür aus der Dunkelheit.
Sollte sie verschlossen sein, besaß Tidy das nötige Werkzeug, um sie zu öffnen.
Er brauchte es nicht. Ohne Schwierigkeiten konnte er die Tür aufdrücken und gelangte in den Flur, von dem auch eine breite Treppe nach oben führte.
Die nahm er.
Alles war sehr sauber. Selbst auf der Kellertreppe fand er kaum ein Staubkorn.
Die Treppe mündete in den breiten Flur, schon mehr eine kleine Halle, von der einige Zimmertüren abzweigten. In der Halle blieb Tidy stehen und drehte sich auf der Stelle.
Er tat es langsam, denn schon hier hingen einige Bilder, aber es waren nicht die, die sein Kunde haben wollte. An moderner Grafik war der nicht interessiert.
Tidy mußte in den Wohnraum. Zuvor aber gab er seinen Standort durch, so war es mit Ed abgesprochen. »Ich befinde mich jetzt in der Halle«, flüsterte er in das Gerät. »Verstanden?«
»Ja, alles klar.«
»Nächstes Ziel ist der Wohnraum.«
»Gut, ich warte.«
»Aber vorher öffne ich die Haustür.« Tidy hatte an der Tür einen Eisenriegel entdeckt, den er nur zur Seite zu schieben brauchte. Ed blieb draußen, wo der Sturm heulte.
Tidy drehte sich. Er dachte darüber nach, was ihm sein Auftraggeber gesagt hatte. Die Tür zum Wohnraum, wo auch die Bilder hingen, war die dritte
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