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Und der Herr sei ihnen gnädig

Und der Herr sei ihnen gnädig

Titel: Und der Herr sei ihnen gnädig Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Faye Kellerman
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mir wirklich.«
    »Danke.« Sie strich über den Stoff. »Findest du auch, dass es zu lang ist?«
    »Ich wollte es vor Magda nicht sagen, aber es könnte tatsächlich ein paar Zentimeter kürzer sein.«
    Rina verschränkte die Arme vor der Brust. »Na schön, dann werde ich es eben ein wenig kürzen.«
    »Ich sage ja nicht, dass du es kürzen musst -«
    »Was ist das eigentlich für ein dämliches Gespräch, das wir da gerade führen?«
    »Kann es sein, dass du auch ein bisschen nervös bist? Irgendwie müssen wir die Zeit bis zum Eintreffen der Damen ja überbrücken. Oder sollen wir uns lieber anschweigen?«
    »Sehr witzig.«
    »Rina, das Ganze war deine Idee. Fang deswegen jetzt keinen Streit mit mir an.«
    »Ich habe es für meine Mutter getan.«
    Decker gab ihr keine Antwort.
    »Wirklich!«, sagte sie mit Nachdruck.
    »Ich möchte mich jetzt nicht mit dir streiten.«
    »Ich wollte doch bloß ein... ein Stück von ihrer Kindheit, das noch nicht von Leid und Tod überschattet war! Damit sie endlich mit ihrer Vergangenheit abschließen kann!« »Ich weiß, dass du es im Grunde nur gut gemeint hast. Aber du weißt ja, was man über den Weg in die Hölle sagt.«
    »Ich habe keine Lust, mir solchen Unsinn anzuhören. Ich werde draußen warten.« »Rina -«
    »Nein, ich brauche jetzt wirklich ein bisschen frische Luft!« »Wie du meinst. Dann bis später.«
    Rina rauschte hinaus, und Decker blieb allein im Raum zurück.
    Magda kehrte mit einem Dessertteller zurück, der eine extra Vertiefung für eine Teetasse aufwies. Sie reichte ihm eine Stoffserviette dazu. »Wo ist Ginny?«
    »Draußen.«
    »Sind sie schon da?«
    »Nein, ich glaube, sie ist nur -«
    »Warum wartet sie draußen? Das sieht ja aus, als wäre ich übernervös.«
    »Ich glaube, sie ist selbst auch ein bisschen nervös.«
    »Warum sollte sie? Es geht doch nicht um ihr Leben.«
    »Nein, das nicht«, gab ihr Decker Recht, »aber du bist ihre Mutter, und sie möchte das Richtige für dich tun.«
    Magda schnaubte erbost. »Dann hätte sie zuerst zu mir kommen sollen!«
    »Du hast Recht.«
    Wieder schnaubte die alte Frau. »Ich bin immer noch ihre Mutter, und sie ist immer noch meine Tochter. Ich werde hinausgehen und sie beruhigen.«
    »Du bist ein lieber Mensch«, sagte Decker.
    »Wenn du das nach diesem Nachmittag immer noch sagst, dann glaube ich dir.«
    Magda ging hinaus.
    Decker blieb allein zurück. Er spürte, wie ihm die Augen zufielen, seine Gedanken drifteten ab und verschwammen. Er war fast schon eingeschlafen, als ihn das Knallen einer Wagentür hochfahren ließ. Beinahe wäre er aufgestanden, ohne an den Teller auf seinem Schoß zu denken. Im letzten Moment fiel es ihm ein, und er konnte das Essen gerade noch davor bewahren, auf Magdas teurem Teppich zu landen. Rasch stellte er den Teller auf einen der Couchtische und spähte aus dem Fenster.
    Gerade öffnete sich die Tür auf der Fahrerseite.
    Anika stieg als Erste aus. Sie trug eine weiße Bluse und einen grünen Leinenrock. Martha folgte in einem gelben Baumwollkostüm. Beide Frauen hatten fröhliche kleine Sommerhüte über ihre grauen Locken gestülpt. Decker konnte nicht hören, was sie sagten, aber ihre Freudenschreie vernahm er deutlich.
    Magda und Martha fielen sich in die Arme und begannen herzergreifend zu schluchzen. Binnen weniger Sekunden hatten sich alle schlimmen Erinnerungen in Luft aufgelöst, und wie zwei kleine Schulmädchen spazierten sie Arm in Arm, erst weinend und dann lachend, zum Haus. Rina hatte sich bei Anika untergehakt, der die Gefühlausbrüche ihrer Schwester ein wenig peinlich zu sein schienen.
    Fröhlich plappernd kamen sie zur Tür herein. »Ach, ist das schön!«, sagte Martha Wallek zu Magda. »So schön!«
    »Meine Damen, Sie erinnern sich doch sicher an meinen Mann, Lieutenant Decker?«, meinte Rina.
    »Aber natürlich! Es ist uns eine Freude, Sie wiederzusehen.«
    Martha lächelte. Sie hing noch immer an Magdas Arm. »Wie hübsch du es hier hast!
    Du warst schon immer so eine Künstlerin.«
    »Ich?«
    »Erinnerst du dich denn nicht mehr daran, dass du für alle in der Schule Bilder gezeichnet hast? Unsere Modeschöpferin« Martha wandte sich an Rina. »So haben wir sie damals genannt, unsere Modeschöpferin. Im Kunstunterricht hat sie immer unglaublich tolle Kleider gezeichnet.«
    »Ach, das!« Magda winkte ab. »Das hatte ich von meiner Mutter. Sie hat wirklich wunderschöne Kleider entworfen.«
    »Und du hast sie alle gezeichnet!«, sagte Martha

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