Bücher online kostenlos Kostenlos Online Lesen
und der Hongkong-Buddha

und der Hongkong-Buddha

Titel: und der Hongkong-Buddha Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Dorothy Gilman
Vom Netzwerk:
und seine Augen weiteten sich vor Staunen. »Was ist denn?« fragte Mrs. Pollifax verwirrt.
Mr. Hitchens schloß den Mund und schluckte vernehmbar. »Das ist doch...!« murmelte er - und dann: »Das ist doch...!« Ein verklärtes Lächeln breitete sich auf seinem Gesicht aus. »Das ist doch Ruthie!« rief er aus. Er sprang auf und rief laut
ihren Namen.
Eine der Frauen in der Gruppe drehte sich um und sah
herüber. Sie entdeckte Mr. Hitchens, und ihr Gesichtsausdruck
war nicht weniger verblüfft, als der von Mr. Hitchens vor einem
Augenblick. Sie löste sich aus der Gruppe, machte ein paar
zögernde Schritte, blieb zaudernd stehen und eilte dann auf Mr.
Hitchens zu. Sie trafen sich in der Mitte der Halle, und Mr.
Hitchens umarmte sie schüchtern. Die Art, wie sich die beiden
begrüßten, ließ auf eine schwierige und komplizierte Trennung
vor langer Zeit schließen.
Mrs. Pollifax beobachtete das Paar lächelnd. Ruthie war die
einzige seiner Frauen gewesen, die von Mr. Hitchens kein aufregendes Leben erwartet hatte - wenn sich Mrs. Pollifax recht erinnerte. Vorausgesetzt, sie brachte nichts durcheinander, dann war seine erste Frau Kindergärtnerin gewesen, seine zweite eine ehrgeizige junge Schauspielerin und seine dritte Frau eine ehrgeizige junge Zauberkünstlerin. Ruthie mußte seine erste Frau gewesen sein, denn wohl keine Frau, deren Ehrgeiz im Showbusineß Befriedigung suchte, würde ihr Äußeres so charakterfest ihren wahren, tieferen Eigenschaften unterordnen. Ruthie war klein und auf den ersten Blick unscheinbar, doch beim näheren Hinsehen mußte Mrs. Pollifax diesen Eindruck revidieren: Sie hatte große, empfindsame braune Augen, eine ganz reizende Stupsnase, die im interessanten Kontrast zu ihrem kleinen Kinn stand, das eine gehörige Portion Selbstbewußtsein und Standhaftigkeit verriet. Sie trug ein braunes Kleid, bequeme Schuhe und ging - nach Mrs. Pollifax' Schätzung - auf die
Vierzig zu.
Eine sensible, kleine Frau, die mit beiden Beinen im Leben
steht, entschied Mrs. Pollifax. Nur die leichte Röte, die in
Ruthies Gesicht gestiegen war, verriet, wie sehr sie sich freute,
ihn wiederzusehen.
»Aber ich verstehe nicht...«, hörte Mrs. Pollifax sie sagen.
»Was in aller Welt machst du in Hongkong?«
Mr. Hitchens wandte sich zu Mrs. Pollifax um. »Was für eine
Überraschung!« rief er. »Das ist Ruthie!«
Ruthies Augen folgten Mr. Hitchens' Blick, und Mrs. Pollifax
sah in ihnen eine plötzliche Angst aufkeimen, als sie die Person
suchten, zu der ihr Ex-Mann gesprochen hatte. »Sie liebt ihn
noch immer«, dachte Mrs. Pollifax, »und fürchtet
wahrscheinlich, wieder eine dieser jungen Schauspielerinnen zu
sehen.«
Aus Ruthies Blick wich die Angst, als sie Mrs. Pollifax
entdeckte. »Oh!«, machte sie. »Oh!«
Lächelnd erhob sich Mrs. Pollifax von der Couch und gesellte sich zu den beiden. »Die Gründe für Mr. Hitchens' Aufenthalt hier sind ziemlich kompliziert und - übrigens, ich bin Mrs. Pollifax -, und er steckt bis über beide Ohren... Weshalb zeigen
Sie ihr nicht einfach die Zeitung, Mr. Hitchens?«
Die Röte auf Ruthies Gesicht wurde noch eine Nuance tiefer,
als Mr. Hitchens die Zeitung auseinanderfaltete und ihr stolz die
Fotos auf der Titelseite zeigte. »Verzwickte Geschichte«,
erklärte er vage, »aber im Augenblick nicht so wichtig. Du
siehst prächt ig aus, Ruthie!«
»Leider müssen Sie mich nun entschuldigen«, erklärte Mrs.
Pollifax. »Ich habe noch etwas Dringendes zu erledigen.« »Oh, nein, bitte«, widersprach Ruthie verwirrt. »Sie dürfen
nicht glauben... Ich bin mit einer Reisegruppe hier, und wir
haben ein sehr gedrängtes Programm. Heute abend stehen einige
Nachtclubs auf der Liste, und ich...«
»Großartig«, strahlte Mr. Hitchens. »Warum stürzen wir beide
uns nicht gemeinsam in das Nachtleben, Ruthie?«
Mrs. Pollifax ergriff die Gelegenheit, sich zurückzuziehen,
und überließ die beiden den Gefahren und Freuden ihres
Wiedersehens. Sie fuhr in ihr Zimmer hoch, um eine betont
unauffällige Garderobe für den Abend auszuwählen, denn sie
hatte keineswegs die Absicht, den Abend in den Nachtclubs von
Hongkong zu verbringen.

8
    In ihrem Zimmer angekommen, zog sich Mrs. Pollifax sogleich um. Sie entschied sich für einen einfachen Baumwollrock, eine gestreifte Bluse, bequeme Sandalen und ein blaugestreiftes Halstuch, das sie sich um den Kopf band. Dann kramte sie in ihrem Koffer nach dem Notizbuch, das sie auf Reisen stets bei sich hatte. Sie riß die erste Seite heraus, auf

Weitere Kostenlose Bücher