und der Ruf der Karibikwoelfe
Maul noch voller Sand ist. Aber dafür ist es schön laut.
Überrascht schauen die beiden sich an.
»Ach, bei dir auch?«, fragen sie zugleich. Und nicken, wieder zugleich. Und fallen sich erleichtert in die Hufe und Pfoten.
»Was bloß kann uns fehlen?«, überlegt Rita.
»Wir haben doch schon alles«, brummt Ruth.
»Vielleicht sind wir krank«, sagt Rita. »Vielleicht brauchen wir einen Tierarzt.«
»Ich habe kein Fieber.« Ruth zuckt die Schultern. »Und ich glaube, wenn ich krank wäre, wäre ich nicht so gut bei Stimme.«
Rita fühlt prüfend an ihrer Stirn und ihren Karatemuskeln. »Ausreichend kühl und zufriedenstellend hart«, sagt sie. »Du hast recht. Wir sind gesund.«
»Und doch fehlt uns etwas, und zwar dasselbe. Und was das ist, werden wir herausbekommen.«
Ruth klopft sich den feinen Sand aus dem flauschigen Fell.
»Vielleicht ist es das viele Nichtstun«, überlegt Rita. »Freibeuter sind dafür nicht gemacht. Herrliche karibische Horizonte hin oder her. Deshalb gehen wir jetzt sofort zu Shaggy und schauen mal wieder nach Post.«
»Außerdem ist irgendwo da draußen immer jemand wie der kleine Luis und braucht Hilfe!«, ruft Ruth. »Typen wie die beiden von vorhin sterben nicht aus!«
»Unverschämte Schäferhunde auch nicht«, knurrt Rita.
»Dreiste Grapscher, nehmt euch in Acht!«, röhrt Ruth. »Ob ihr nun Boris, Pedro, Fernando oder Hotzenplotz heißt!«
»Hej-ho!«, ruft Rita. »Jetzt kommen wir!«
Auf der Stelle greifen die beiden nach Kopftuch, Mützchen und Sonnenbrille und machen sich auf den Weg. Obwohl jedes Kind Ritas und Ruths Lieblingskopfbedeckungen kennt, seit der Fluch der Karibikhunde über die Leinwände in aller Welt flimmerte, sind die beiden dabei geblieben. Etwas Besseres als geknüpfte Tücher und Wollmützchen gibt es für Freibeuter nun einmal nicht.
Die beiden sind so tatendurstig, dass sie das seltsame Gefühl in ihrem Inneren nicht länger bemerken.
Shaggy
D er Dschungel hinter dem Strand scheint undurchdringlich, aber Rita und Ruth verschwinden wie durch Zauberhand in der grünen Wand. Sie schlüpfen durch eine winzige Lücke, gerade groß genug für ein Meerschwein und ein kleines Schaf. Nur derjenige findet sie, der genau weiß, wo sie ist.
Von einem Augenblick zum anderen herrschen Dämmerlicht und Stille. Kletterpflanzen, die aussehen wie Würgeschlangen, strecken absonderliche Ranken aus den Palmen heraus und greifen nach jedem Besucher. Gewächse mit dicken, keulenförmigen Blättern bedecken wuchernd den Boden. Ihre riesigen fleischfarbenen Blüten stinken nach Schweißfüßen in Gummistiefeln. Sträucher mit Stacheln, die so groß wie Schwerter sind, versperren den Weg, und hinter jedem giftig grünen Ast, von dem Moosfäden hängen wie Geisterspinnweben, scheinen unheimliche Augen zu lauern.
Rita und Ruth kümmern sich nicht darum. Bald ist ein gemeines Jammern zu hören. Es klingt wie ein Gespenst, von dem man nicht weiß, ob es schadenfroh oder wütend ist. Dazu gesellt sich ein Klappern wie von den morschen Knochen der unzähligen Freibeuter, die in der Karibik ihren letzten Säbelhieb geführt haben. Auf die Gesichter des kleinen Schafs und des strubbeligen Meerschweinchens zaubern die schauerliche Stimme und das furchterregende Klappern ein Lächeln.
»Meine Heulrohre klingen verteufelt echt«, sagt Ruth stolz. Wochenlang hat sie sich dafür durch Palmenstämme verschiedener Größe genagt. »Wenn Sir Francis Drake sie hören könnte, würde vielleicht sogar er beunruhigt eine Augenbraue hochziehen. Und Drake war immerhin einer der unerschrockensten Freibeuter aller Zeiten.«
»Meine Knochenklapper ist aber auch nicht schlecht«, sagt Rita. »Klaus Störtebeker hätte bestimmt seine Freude daran.«
Unzählige Karatetritte waren nötig, um die Holzstücke für all die Windspiele herzustellen.
Unvermittelt stehen Rita und Ruth vor einem Abgrund. Eine Schlucht durchzieht den Urwald. Sie ist zu breit, um hinüberzuspringen. Nicht einmal ein ausgewachsenes Piraten-Känguru könnte es schaffen. Tief unten rauscht ein Wildbach, und auf einem Schild steht:
ACHTUNG!
ALLIGATOREN, PIRANHAS UND
HAMMERHECHTE!
Oben verbindet ein Baumstamm die beiden Seiten der Schlucht.
Rita und Ruth betreten ihn und laufen darüber hinweg, ohne das Hindernis zu beachten. Sie starten sogar ein unverabredetes Wettrennen. Rita merkt aber schon nach ein paar Sekunden, dass Ruth schneller ist. Deshalb bremst sie in der Mitte des Baumstammes rasant ab und tut,
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