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Und die Großen lässt man laufen

Und die Großen lässt man laufen

Titel: Und die Großen lässt man laufen Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Per Wahlöö Maj Sjöwall
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viel, daß sie als auffallende Schönheit galt und einmal irgendeine Miss-Wahl gewonnen hatte. Miss Schweden oder vielleicht sogar Universum? Danach hatte sie sich einen Namen als Mannequin gemacht, und danach war sie Frau Palmgren geworden, im Alter von siebenundzwanzig Jahren, auf dem Höhepunkt ihrer Schönheit. Heute war sie zweiunddreißig und äußerlich ziemlich unverändert, wie es nur Frauen sein können, die keine Kinder geboren haben und es sich leisten können, für ihr Äußeres viel Zeit und unbegrenzte Mengen Geld aufzuwenden. Viktor Palmgren war vierundzwanzig Jahre älter gewesen als sie, was über beider Motive für die Eheschließung einigen Aufschluß gab. Er hatte seinen Geschäftspartnern eine Luxusfrau vorzeigen wollen, und sie hatte das Geld geheiratet, um ein für allemal allem zu entgehen, was auch nur entfernt nach Arbeit aussah. Dem Anschein nach hatten beide bekommen, was sie hatten haben wollen.
    Aber jetzt war Charlotte Palmgren Witwe, und Mänsson hielt zumindest in einigen Dingen streng auf Konvention. Darum zog er, wenn auch mit leichtem Widerwillen, einen dunklen Anzug an, bevor er hinunterging und sich hinters Lenkrad des Wagens setzte, um die relativ kurze Strecke von der Regementsgatan nach Bellevue zu fahren.
    Die Palmgrensche Residenz schien den Kindheitserinnerungen Mänssons genau zu entsprechen, obwohl sie im Lauf der Zeit eine Patina aus leichter Übertreibung angesetzt hatten. Vom Haus selbst konnte man von der Straße aus nur ein Stück des Dachs und einen Windfang sehen, denn die Hecke war nicht nur sorgfältig gestutzt und von üppigem Grün, sondern auch sehr hoch und vollkommen undurchsichtig. Wenn er sich nicht irrte, mußte sich dahinter noch ein schmiedeeisernes Gitter verbergen. Das Grundstück schien unendlich groß zu sein, und der Garten glich mehr einem Park mit seinen hohen alten Bäumen. Das Tor zur Auffahrt gestattete wie die Hecke keinen Durchblick. Kupfer, grün vor Alter, hoch und breit und oben mit kunstvollen Verzierungen geschmückt. Auf der einen Torhälfte waren einige überdimensionierte Messingbuchstaben angebracht, die den heute nicht mehr ganz unbekannten Namen Palmgren bildeten, auf der anderen entdeckte Mänsson einen Briefschlitz, einen elektrischen Klingelknopf und darüber eine quadratische Luke, durch die eventuelle Besucher in Augenschein genommen werden konnten, bevor man ihnen Einlaß gewährte. Hier konnte man also nicht ohne weiteres hereinplatzen, und als Mänsson vorsichtig den Türgriff herunterdrückte, erwartete er beinahe, irgendwo da drinnen würde jetzt eine Alarmglocke läuten. Das Tor war natürlich verschlossen. Die Luke ebenfalls. Durch den Briefschlitz war nichts zu erkennen, weil dahinter offensichtlich eine geschlossene Metallbox angebracht war.
    Mänsson hob die Hand, um auf den Klingelknopf zu drücken, besann sich aber und ließ die Hand wieder sinken. Zögernd sah er sich um. Außer seinem eigenen alten Wartburg standen zwei weitere Wagen am Bordsteinrand, ein roter Jaguar und ein gelber MG. War es anzunehmen, daß Charlotte Palmgren zwei Sportwagen auf der Straße stehen hatte? Mänsson lauschte. Einen Augenblick meinte er, im Park Stimmen zu hören. Dann erstarben die Geräusche wieder; vielleicht wurden sie durch die Hitze und die stehende, sonnendurchglühte Luft erstickt.
    Was für ein Sommer, dachte Mänsson. So einen Sommer haben wir höchstens alle zehn Jahre einmal. Und hier stehe ich wie ein Blödian mit Schlips und Kragen, statt in Falsterbo am Strand zu liegen oder zu Hause in der Unterhose mit einem gekühlten Drink in der Faust.
    Dann schoß ihm ein neuer Gedanke durch den Kopf. Das Haus war eine alte, sogenannte hochherrschaftliche Villa aus der Zeit der Jahrhundertwende, die für die eine oder andere Million umgebaut worden war. Häuser dieser Art pflegten auf der Rückseite des Grundstücks einen zweiten Eingang zu haben, durch den Gärtner, Köchinnen, Hausgehilfinnen, Boten und Kindermädchen hineinschlüpfen konnten, ohne die Herrschaft mit ihrem Anblick zu belästigen. Mänsson ging an der Hecke entlang und bog in die nächste Seitenstraße ein. Das Grundstück schien einen ganzen Block einzunehmen, denn die Hecke war noch immer dicht und genauso undurchsichtig. Mänsson ging an der nächsten Straßenkreuzung wieder nach rechts, und hier fand er, was er gesucht hatte. Ein schmiedeeisernes Gartentor. Von hier war das Haus überhaupt nicht zu sehen, denn es war von hohen Bäumen mit übppigem Laub

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