Und die Großen lässt man laufen
bin nur über zahlreiche Auslandsgeschäfte und eine Immobiliengesellschaft in Stockholm informiert.«
»Aha«, sagte Edvardsson, der sich in eigenen Überlegungen zu verlieren schien. Nach einer Weile sagte er: »Das Wenige, was ich vom Mörder Palmgrens gesehen habe, ist der Polizei seit vorgestern abend bekannt. Es waren übrigens zwei Mann von der Polizei, die ich am Hals hatte. Einer fragte ständig, wann genau der Schuß gefallen sei, aber der andere schien ein bißchen mehr Grips zu haben. Der war auch jünger.«
»Sie waren sicher nicht mehr ganz nüchtern, als es geschah«, bemerkte Martin Beck.
»Nein, bestimmt nicht, das walte dieser und jener. Und dann habe ich gestern noch wieder aufgefüllt. Der Kater ist also noch Immer ganz munter. Das liegt sicher an dieser beschissenen Hitze.« Großartig, dachte Martin Beck. Verkaterter Detektiv verhört verkaterten Zeugen. Sehr konstruktiv.
»Sie wissen vielleicht, wie das ist«, sagte Edvardsson. »Allerdings. Ich weiß es«, sagte Martin Beck. Dann nahm er das Bierglas in die Hand und leerte es bedenkenlos in einem Zug. Stand auf und sagte:
»Vielen Dank. Ich lasse vielleicht wieder von mir hören.« Beck überlegte es sich und stellte eine weitere Frage: »Übrigens, Sie haben nicht zufällig die Waffe gesehen, die der Mörder benutzte?«
Edvardsson zögerte mit der Antwort. »Na ja, jetzt, wo alles vorbei ist, glaube ich, daß ich wenigstens etwas davon mitbekommen habe, aus dem Augenwinkel sozusagen, als der Mann die Waffe wieder einsteckte. Ich verstehe natürlich nicht viel von Schußwaffen, aber es war eine lange, ziemlich schmale Kanone. Mit so einer Rolle, oder wie das Ding heißt.«
»Mit einer rotierenden Kammer«, korrigierte Martin Beck. »Auf Wiedersehen und vielen Dank für das Bier.«
»Sie sind jederzeit herzlich willkommen«, sagte Edvardsson. »Jetzt werde ich mir erst mal ordentlich einen zur Brust nehmen, damit alles wieder ins Lot kommt.«
Als Beck ins Polizeihaus zurückkehrte, saß Mänsson immer noch in der gleichen Stellung wie vorher am Schreibtisch. »Welche Frage erwartest du jetzt von mir?« sagte er, als Beck ins Zimmer trat.
»Zum Beispiel - na, wie ist es gegangen?«
»Das ist eine gute Frage. Ziemlich schlecht. Glaube ich. Und wie sieht es hier aus?«
»Gar nicht gut.«
»Und die Witwe?«
»Die knöpfe ich mir morgen vor. Sie hat ja immerhin Trauer, da ist Vorsicht angebracht.«
Per Mänsson war in Malmö im Arbeiterviertel um den Möllevängstorget geboren und aufgewachsen. Er war seit mehr als fünfundzwanzig Jahren Polizist und kannte seine Stadt besser als die meisten. Er war mit ihr zusammen aufgewachsen, hatte mit ihr zusammen gelebt und mochte sie dazu noch gern.
Es gab einen Stadtteil, den er nie richtig kennengelernt hatte und der ihm seit jeher ein Gefühl der Ohnmacht und der Unlust eingab. Das war die westliche Vorstadt mit Bezirken wie Fridhem, Västerväng und Bellevue, die von jeher von den Reichen der Stadt bewohnt wurden. Mänsson konnte sich erinnern, wie er selbst als kleiner Junge in den Notzeiten der zwanziger und dreißiger Jahre gezwungen gewesen war, in Holzschuhen nach Limhamm zu marschieren, wo man, wenn man es geschickt anstellte, ein paar Heringe fürs Mittagessen organisieren konnte. Er erinnerte sich an die Luxusautos und an die livrierten Privatchauffeure, an die Dienstmädchen in schwarzen Kleidern mit weißen Schürzen und gestärkten Häubchen, an die Kinder der reichen Oberschicht mit ihren Tüllkleidern und Matrosenanzügen. Er hatte sich so unsagbar fern von allem gefühlt; die gesamte Umgebung war ihm als märchenhaft und unfaßbar erschienen. Daran hatte sich bis heute kaum etwas geändert, obwohl die meisten Privatchauffeure und Dienstmädchen verschwunden waren und die Kinder der Reichen, jedenfalls bei oberflächlicher Betrachtung, sich kaum'von anderen Kindern unterschieden.
Außerdem mußten Heringe und Kartoffeln recht nahrhaft sein, wenn man bedachte, daß er, arm und vaterlos, schließlich ein großer, kräftiger Mann geworden war. Er hatte die sogenannte Ochsentour hinter sich und es nach und nach zu bescheidenem Wohlstand gebracht. Jedenfalls war er selbst dieser Meinung.
In genau dieser Gegend hatte Viktor Palmgren gewohnt, und folglich mußte auch seine Witwe in dieser Gegend wohnen. Mänsson hatte bislang die Teilnehmer an dem fatalen Essen nur auf Fotos gesehen und wußte nicht sonderlich viel von ihnen.
Von Charlotte Palmgren wußte er jedoch immerhin so
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