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Und die Großen lässt man laufen

Und die Großen lässt man laufen

Titel: Und die Großen lässt man laufen Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Per Wahlöö Maj Sjöwall
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nicht.«
    »Sie müssen verstehen, ich bin nämlich ganz allein hier. Die Dienstboten habe ich nach Hause geschickt.«
    Als Mänsson nichts darauf entgegnete, setzte sie nach einer Weile hinzu: »Nach allem, was geschehen ist, habe ich es für das Beste gehalten, allem zu sein. Ganz allein.«
    »Ich verstehe. Mein Beileid.«
    Sie neigte leicht den Kopf, vermochte aber nicht, einem anderen Gefühl als Langeweile und totaler Gleichgültigkeit Ausdruck zu geben. Vermutlich ist sie zu unbegabt, um die trauernde Witwe zu spielen, dachte Mänsson. »Tja«, sagte sie. »Dann wollen wir mal reingehen.« Mänsson folgte ihr über eine Steintreppe neben der Veranda und dem Wintergarten. Sie kamen durch eine große düstere Halle und betraten einen riesigen, mit Möbeln überladenen Salon. Die Stilmischung war grotesk: hypermoderne Möbel neben alten Ohrensesseln und halbantiken Tischen. Charlotte Palmgren führte Mänsson zu einer Sitzgruppe, die aus vier Sesseln, Sofa und einem sehr großen Tisch mit einer dicken gläsernen Platte bestand. Sie sah neu und teuer aus.
    »Bitte, nehmen Sie Platz«, sagte Charlotte Palmgren höflich kühl. Mänsson setzte sich. Der Sessel war der größte, den er je gesehen hatte, und er versank so tief darin, daß er das Gefühl hatte, sich nie wieder daraus erheben zu können.
    »Darf ich Ihnen wirklich nichts zu trinken anbieten?«
    »Wirklich nicht«, sagte Mänsson. »Ich werde Sie auch nicht lange aufhalten. Ich hätte nur ein paar Fragen. Wir sind, wie Sie sicher verstehen werden, sehr bemüht, den Mann, der Direktor Palmgren getötet hat, so schnell wie möglich zu fassen.«
    »Natürlich, Sie sind ja Polizist. Ja, was soll ich sagen? Dies ist eine schrecklich traurige Geschichte. Tragisch.«
    »Sie haben den Schützen gesehen, nicht wahr?«
    »Ja, aber es ist alles so schnell gegangen. Ich habe sozusagen erst hinterher reagiert. Dazu kam auch der schreckliche Gedanke, daß er auch mich hätte erschießen können. Uns alle.«
    »Hatten Sie den Mann vorher schon einmal gesehen?«
    »Nein, das weiß ich genau. Ich habe ein gutes Gedächtnis für Gesichter, nur Namen und so was kann ich mir nicht merken. Die Polizei in Lund hat mir übrigens schon die gleiche Frage gestellt.«
    »Ich weiß, aber zu dem Zeitpunkt waren Sie sicher noch zu erschüttert.«
    »Ja, genau das, es war einfach entsetzlich«, bestätigte sie wenig überzeugend.
    »Sie müssen in den letzten Tagen bestimmt oft an diesen furchtbaren Abend gedacht haben.«
    »Ja, sicher.«
    »Und Sie haben den Mann ja deutlich gesehen. Sie sahen in die Richtung, aus der er kam, und saßen nur wenige Meter von ihm entfernt. Wie sah er eigentlich aus?«
    »Tja, was soll ich sagen? Er sah ziemlich gewöhnlich aus. Einfach.«
    »Einfach?«
    »Na ja, er gehörte nicht zu den Leuten, mit denen man normalerweise Umgang pflegt, sozusagen.«
    »Was hatten Sie für ein Gefühl, als Sie ihn sahen?«
    »Gar keins, bis er die Pistole hervorzog. Da bekam ich Angst.«
    »Sie haben also die Waffe gesehen?«
    »Ja, es war so eine Art Pistole.«
    »Sie können nicht sagen, von welchem Typ?«
    »Ich verstehe nichts von Schußwaffen. Aber es war irgendeine Art Pistole. Ziemlich lang. So ein Ding, wie man es in Western-Filmen sieht.«
    »Und was können Sie über den Gesichtsausdruck des Mannes sagen?«
    »Nichts. Er sah völlig normal aus, wie ich schon sagte. An die Kleidung erinnere ich mich besser, aber darüber habe ich schon Angaben gemacht.«
    Mänsson gab seine Bemühungen um eine Personenbeschreibung auf. Entweder wollte oder konnte sie nicht mehr sagen, als sie schon gesagt hatte. Er sah sich in dem eigenartigen Raum um.
    Die Frau folgte seinem Blick. »Diese Sitzgruppe ist ziemlich dufte, was?«
    Mänsson nickte und fragte sich, was sie wohl gekostet haben mochte.
    »Ich habe sie selbst gekauft«, berichtete sie mit einem Anflug von Stolz. »Im Finncenter.«
    »Wohnen Sie immer hier?« erkundigte sich Mänsson.
    »Wo sollten wir sonst wohnen, wenn wir in Malmö sind?« fragte sie blöde zurück.
    »Aber wenn Sie nicht in Malmö sind?«
    »Wir haben ein Haus in Estoril. Da wohnen wir immer im Winter. Viktor hatte oft geschäftlich in Portugal zu tun. Und dann ist da natürlich noch die Repräsentationswohnung in Stockhohn. Sie liegt in Gärdet.« Sie dachte nach und fügte hinzu: »Aber da wohnen wir nur, wenn wir in Stockholm sind.«
    »Ich verstehe. Haben Sie Ihren Mann auf seinen Geschäftsreisen begleitet?«
    »Ja, wenn es um Repräsentation

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