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Und die Großen lässt man laufen

Und die Großen lässt man laufen

Titel: Und die Großen lässt man laufen Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Per Wahlöö Maj Sjöwall
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eine plötzliche Eingebung?
    BS: Ich muß irgendwie schon früher daran gedacht haben, obwohl ich es nicht geplant hatte. Aber als ich ihn da stehen sah und den Revolver bei mir hatte, überfiel es mich plötzlich, daß es die einfachste Sache der Welt wäre, ihn einfach abzuknallen. In dem Augenblick, in dem ich mich entschloß, das zu tun, kümmerte es mich wenig, was danach passieren würde. Gerade in dem Augenblick hatte ich das Gefühl, zum erstenmal an so eine Tat zu denken. Aber im Unterbewußtsein habe ich Palmgren sicher schon oft den Tod gewünscht.
    MB: Wie fühlten Sie sich, als Sie die Zeitungen lasen… Sie haben doch am nächsten Tag die Zeitungen gelesen?
    BS: Ja.
    MB: Wie fühlten Sie sich, als Sie erfuhren, daß Palmgren vielleicht überleben würde?
    BS: Ich wurde wütend auf mich selbst, weil ich so schlecht gezielt hatte. Ich dachte, daß ich vielleicht noch mehr Schüsse hätte abgeben sollen, aber andererseits wollte ich ja keinen Unschuldigen treffen. Im Restaurant sah es doch aus, als wäre Palmgren auf der Stelle tot gewesen.
    MB: Und jetzt? Wie fühlen Sie sich jetzt?
    BS: Ich bin froh, daß er tot ist.
    PM: Wir sollten hier vielleicht mal eine Pause machen. Sie müssen etwas essen.
    Martin Beck schaltete das Tonbandgerät aus. »Den Rest kannst du dir später anhören«, sagte er zu Skacke. »Wenn ich abgereist bin.«

30
    Spät am Sonnabendabend, am 12. Juli dieses heißen Sommers, saß Martin Beck allein an einem Tisch im Speisesaal des Savoy.
    Rund eine Stunde zuvor hatte er seine Reisetasche gepackt und sie eigenhändig zum Empfang hinuntergetragen. Jetzt gab es nichts mehr, was ihn hätte hetzen können, und darum wollte er den Schlafwagen nach Stockholm nehmen.
    Zuvor hatte er mit Mahn telefoniert, der einen sehr zufriedenen Eindruck gemacht und immerzu wiederholt hatte: »Also keine Komplikationen, mit anderen Worten? Das ist ja fabelhaft, wirklich, ganz ausgezeichnet.«
    Ganz ausgezeichnet, dachte Martin Beck.
    Das Restaurant war angenehm, gemütlich und hochelegant zugleich. Das Licht der brennenden Kerzen auf den Tischen spiegelte sich in gewaltigen Silberterrinen. Die Zahl der übrigen Gäste war genau richtig, ebenso deren Lautstärke. Es waren nicht so viele, daß man sich gestört fühlen könnte, und nicht so wenige, daß man sich einsam fühlen müßte.
    Kellner in weißen Jacken, ein sich verneigender Oberkellner, der Kleine, der immerzu eifrig an den Manschetten zupfte.
    Martin Beck hatte mit einem Whisky an der Bar angefangen und den Abend mit einer Seezunge Walewska im Restaurant fortgesetzt. Dazu hatte er den Branntwein des Hauses getrunken, der mit geheimen Krautern gewürzt war und hervorragend schmeckte.
    Jetzt grübelte er beim Kaffee und einem doppelten Seve Fournier über die Ereignisse der letzten Tage nach.
    All diese Dinge waren natürlich erlesen. Gutes Essen, gepflegte Getränke, aufmerksame Bedienung und vor den offenen Fenstern ein warmer und behaglicher Sommerabend.
    Und dazu ein Fall, der zu den Akten gelegt werden konnte. Eigentlich sollte er sich wohl fühlen, aber so verhielt es sich nicht.
    In Wahrheit spürte Martin Beck sehr wenig von dem, was um ihn herum vorging. Man hätte sich sogar fragen können, ob er überhaupt wußte, was er aß und trank.
    Viktor Palmgren war tot.
    Weg für immer und von niemandem vermißt außer von ein paar Finanzhaien und von Repräsentanten irgendwelcher suspekter Regimes in weit entfernten Ländern. Und die würden sehr bald dahinterkommen, daß sich mit Mats Linder genausogut Geschäfte machen ließen. Der Unterschied würde sich in der Praxis als sehr gering erweisen.
    Charlotte Palmgren war jetzt sehr reich und unabhängig, und soweit sich das beurteilen ließ, gingen Linder und Hoff-Jensen einer strahlenden Zukunft entgegen.
    Hampus Broberg würde vermutlich sogar der Verhaftung entgehen. Ein Stab hochdotierter Juristen würde nachweisen, daß er keineswegs versucht hatte, Wertpapiere außer Landes zu schmuggeln. Auch andere Delikte würden ihm nicht nachzuweisen sein. Seine Frau und seine Tochter befanden sich in Sicherheit, in der Schweiz oder in Liechtenstein. Ihnen standen fette Bankkonten zur Verfügung. Helena Hansson würde irgendeine Strafe erhalten, aber sicherlich keine fühlbare. Sie würde sich in sehr naher Zukunft wieder in ihrem angestammten Beruf etablieren.
    Übrig blieb ein Schrottarbeiter auf einer Schiffswerft, der sich bald wegen Totschlags oder Mordes vor Gericht zu verantworten haben

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