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Und die Großen lässt man laufen

Und die Großen lässt man laufen

Titel: Und die Großen lässt man laufen Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Per Wahlöö Maj Sjöwall
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umschlossen, aber dagegen entdeckte Mänsson eine große, recht neue Garage und ein älteres, kleineres Gebäude, sicherlich ein Werkzeugschuppen. Am Hintereingang befand sich kein Namensschild.
    Mänsson setzte seine Hände auf die beiden Torhälften und drückte, so daß sich das Tor nach innen öffnete. Auf diese Weise brauchte er sich nicht mehr zu überzeugen, ob das Tor verschlossen war oder nicht. Jetzt, im Schatten der Bäume, spürte er, wie heiß es wirklich war. Der Schweiß lief ihm vom Nacken auf den Rücken und kitzelte zwischen den Schulterblättern. Nachdem er eingetreten war, schloß Mänsson das Gartentor hinter sich. Auf der Kiesauffahrt zur Garage waren Reifenspuren zu sehen, aber die Fußwege, die sich in den Garten wanden, waren mit Schieferplatten belegt.
    Mänsson ging unter den Bäumen durchs Gras in Richtung auf das Haus. Ging vorsichtig weiter durch Reihen blühenden Goldregens und von Jasminbüschen, bis er, wie berechnet, an der Rückfront des Hauses angelangt war, die still und verlassen dalag mit ihren geschlossenen Fensterluken, Küchen und Kellertreppen und einigen mysteriösen Anbauten. Mänsson ließ den Blick übers Haus wandern, konnte aber nicht viel von ihm sehen, weil er zu nahe stand. Er folgte dem Weg nach rechts, stieg vorsichtig durch ein Blumenbeet, blickte um die Ecke und blieb wie angewurzelt inmitten der prachtvollen Pfingstrosen stehen.

7
    Die vor ihm liegende Szenerie war in mehrfacher Hinsicht bemerkenswert. Der Rasen war weitläufig und sehr grün und gepflegt wie das Grün eines englischen Golfplatzes. In seiner Mitte befand sich ein nierenförmiger Swimmingpool mit türkisfarbenen Kacheln und klarem, grünlich schimmerndem Wasser. Dahinter standen eine Sauna und eine Sammlung von Turngerät, unter anderem Barren und Ringe. Neben der Sauna entdeckte Mänsson einen Heim-Trainer. Hier also hatte Viktor Palmgren seinen anerkannt guten körperlichen Allgemeinzustand erstrampelt. In einer Korbliege, die am Beckenrand stand, saß oder vielmehr lag Charlotte Palmgren, nackt und mit geschlossenen Augen. Sie war tief sonnengebräunt, und die Sonnenbräune war gleichmäßig über den ganzen Körper verteilt. Wenn jemand angesichts ihres blonden Haars den Verdacht haben sollte, sie sei keine echte Blondine, würde er hier eines Besseren belehrt: das spärliche Haardreieck zwischen den Schenkeln war so hell, daß es fast weiß gegen die sonnenverbrannte Haut abstach. Das zarte Gesicht mit dem klargeschnittenen Profil und dem schmalen Mund hatte einen gleichgültigen Ausdruck. Sie war sehr mager mit ihren last unnatürlich schmalen Hüften, der schmalen Taille und den mädchenhaften Brüsten. Die Brustwarzen waren klein und blaßbraun, und ihre Warzenhöfe waren heller als die übrige Haut. Es gab an dieser Frau nichts, was Mänsson hätte reizen können. Sie hätte ebensogut eine Schaufensterpuppe sein können.
    Sieh mal einer an, eine nackte Witwe.
    Warum nicht, übrigens. Auch Witwen müssen manchmal nackt sein Mänsson stand zwischen den Pfingstrosen und fühlte sich wie ein Voyeur, der er ja auch war.
    Was ihn zum Stehenbleiben bewog, war jedoch nicht das, was er sah, sondern das, was er hörte. Irgendwo ganz in der Nähe hörte er, wie jemand sich bewegte und mit klirrenden Gläsern hantierte. Dann hörte er Schritte, und ein Mann trat aus dem Schatten des Hauses. Auch er war sonnengebräunt, aber bei weitem nicht so gründlich wie Charlotte Palmgren. Er trug geblümte Bermudashorts und hatte zwei hohe Gläser mit einer hellroten Flüssigkeit in der Hand. Strohhalme und Eisstücke Das sah gar nicht übel aus.
    Mänsson erkannte den Mann nach den Fotografien, die er gesehen hatte, sofort wieder. Es war Mats Linder, Direktionsassistent Viktor Palmgrens, sein ehemals engster Mitarbeiter und besonderer Günstling. Linder ging über den Rasen zum Swimmingpool. Die Frau im Liegestuhl zog das linke Bein hoch und kratzte sich am Knöchel. Dann streckte sie, noch immer ohne die Augen aufzuschlagen, den rechten Arm aus und nahm dem Mann eines der Gläser aus der Hand.
    Mänsson retirierte hinter die Hausecke. Lauschte. Es war Linder, der zuerst sprach: »Ist er etwas zu sauer geworden?«
    »Nein, er ist okay«, antwortete die Frau.
    Mänsson hörte, wie sie das Glas auf die Kacheln setzte. »Sind wir nicht schrecklich?« fragte Charlotte Palmgren schlaff.
    »Jedenfalls ist es verdammt schön.«
    »Ja, das kann man sagen.« Die Stimme klang noch immer gleichgültig. Es wurde eine

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