Und die Toten laesst man ruhen
regnete es sowieso und im Radio gab es Probleme. Eine Moderatorin erforschte, wie Orgasmusprobleme von Männern auf Frauen wirken. Auf nüchternen Magen nicht gerade der richtige Start in einen fröhlichen Tag, aber ich fand es einfach zu anstrengend, den Arm aus dem Bett zu strecken und den Radiowecker abzustellen.
Als ich vom Nachdenken über meine Orgasmusprobleme noch kränker zu werden drohte, schleppte ich mich in die Küche. Nach einem großen Topf Milchkaffee und vier Scheiben Brot ging es mir besser. Ich stopfte eine Pfeife und las die Zeitung. Preußen Münster hatte schon wieder verloren und Boris Becker bei seinem letzten Match drei Schläger zertrümmert. Der einzige Lichtblick war Borussia Mönchengladbach, die es den Bayern aus München endlich gezeigt hatte. Ich guckte noch kurz ins Feuilleton, in dem der neue Godard abgefeiert wurde, und fand endlich keinen Grund mehr, den Arbeitsbeginn weiter aufzuschieben.
Ich machte da weiter, wo ich gestern aufgehört hatte, nämlich bei dem Versuch, den ehemaligen Nachbarn der Pobradts aufzustöbern, jenen hilfreichen Menschen, der die tödliche Waffe beiseitegelegt hatte. Ich fand ihn in einer grauen Reihenhaussiedlung hinter der trostlosen Einkaufszeile von Coerde, jenem münsterschen Stadtteil, der während des Baubooms der Sechzigerjahre sein Dutzendgesicht erhalten hatte.
Ottokar Runze, so hieß der Mann, war äußerst schreckhaft und nichtssagend, und ich fragte mich, ob das mein überraschender Besuch bewirkte. Immerhin nahm ich mir vor, bei Gelegenheit zu überprüfen, wie Runze zu seinem Reihenhaus gekommen war, ein erstaunlicher Wohlstand für einen pensionierten Busfahrer.
Das magere Ergebnis meines Gesprächs mit Runze verleitete mich dazu, eine Sisyphusarbeit anzufangen. Ich klapperte die Feuerwehr, das Rote Kreuz und ein paar Hilfswerke ab, um jene beiden Krankenwagenfahrer ausfindig zu machen, die den beinahe toten Karl Pobradt abtransportiert hatten. Schließlich erhielt ich einen vagen Hinweis auf einen Mann namens Busche, der die beiden gekannt habe und gerade auf dem Weg zum Franziskus-Hospital sei.
Das Franziskus-Hospital war gleich um die Ecke. Beim Einparken hörte ich die näher kommende Sirene. Und ungefähr gleichzeitig erreichten der Krankenwagen und ich das Eingangsportal. Kurzfristig entstand eine verworrene Situation, weil die herauseilenden Krankenpfleger dachten, der avisierte Notfall stünde vor ihnen. Dann sahen sie, wie sich die Krankenwagenfahrer am Heckteil ihres Wagens zu schaffen machten und einen blutleeren Jüngling herauszogen.
Busche musste der ausgemergelte Ältere sein, der gerade so viel Fett am Körper hatte, dass die Knochen nicht sichtbar wurden. Gemeinsam trotteten wir neben der Trage her, bis sich die Türen der Notaufnahme schlossen.
»Gehören Sie dazu?«, fragte er, als ich neben ihm stehen blieb.
Ich schüttelte den Kopf.
»So ein junges Bürschchen, und dann schon Selbstmordabsichten. Das nimmt einen doch immer wieder mit, auch wenn man das schon hundertmal gesehen hat.«
Ich nickte. Dann kam ich etwas übergangslos auf mein Anliegen zu sprechen.
»Meier, Ipken? Ach ja, der Peter. Der ist in Dortmund, glaube ich. Zumindest war er vor fünf Jahren noch da. Aber wo der Herbert abgeblieben ist, weiß ich nicht, ehrlich.«
Der Peter reichte mir fürs Erste und ich steuerte die Telefonzelle vor dem Krankenhaus an. Zum Glück gab es nur einen Peter Ipken in Dortmund und ich bekam seine Frau an die Strippe. Sie erwartete ihren Mann gegen sechs. Ich lud mich für halb sieben ein, ließ mir eine kurze Wegbeschreibung geben und rief im Laden an. Willi hatte einen ruhigen Tag, was für den Umsatz nicht das Beste hoffen ließ. Er erzählte mir, dass eine Frau angerufen habe, die einen Detektiv suche.
»Gib mir die Telefonnummer!«
»Du wirst geldgeil, Georg. Zwei Fälle auf einmal!«
»Quatsch. Es ist einfach unhöflich, nicht zurückzurufen. Und wenn der Kollege versagt, kommt sie vielleicht auf mich zurück.«
»Du weißt, dass ich zwischendurch noch studieren muss.«
Ich lachte ihn aus und fragte nach dem Feuerlauf.
»Der ist erst um Mitternacht. So was macht man nicht am helllichten Tag.«
Mittlerweile war es in der Telefonzelle ziemlich stickig geworden und ich öffnete kurz die Tür, um eine Prise Stadtluft hereinzulassen. Anschließend tippte ich weiter auf die Zahlentasten.
Frau Steiner war eine besorgte Mutter, der die siebzehnjährige Tochter abhandengekommen war. Da der liebevolle Vater
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