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Und die Toten laesst man ruhen

Und die Toten laesst man ruhen

Titel: Und die Toten laesst man ruhen Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Juergen Kehrer
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wegen seiner beruflichen Position keine Vermisstenanzeige aufgeben wollte, hatte sie die Initiative ergriffen. Ich beruhigte sie mit meinen laienhaften Kenntnissen über die libertäre Einstellung der heutigen Jugend und empfahl ihr einen Kollegen. Mit dem hatte ich ein Abkommen auf Gegenseitigkeit.
     
    Prompt geriet ich auf der Umgehungsstraße in den Feierabendstau und saß eine halbe Stunde fest. Als die Hammer Straße im Zwei-Meter-Pro-Minute-Takt überwunden war, ging es flotter. Über die A 1 düste ich Richtung Dortmund.
    Kurz hinter Unna roch ich das Ruhrgebiet. Auch wenn inzwischen alle Zechen eingemottet und zu Industriedenkmälern erklärt worden sind, gibt es noch diesen spezifischen Duft, den man in Münster nicht schnuppern kann.
    Die Ipkens wohnten in einem Stadtteil mit Hochofen im Hintergrund. Von den braunkohlebraunen bis anthrazitgrauen Häusern wusste man nicht genau, ob sie von den Malern so geplant waren oder ob sich die Farbe im Laufe der jahrelangen Ablagerungen ergeben hatte. Alle hundert Meter umlagerte ein Grüppchen Flaschentrinker einen Kiosk und alle zweihundert Meter gab es eine Pommesbude, abwechselnd deutsch und türkisch. Der Einfachheit halber nahm ich Schaschlik mit Pommes rot.
    Die Haustür war nur angelehnt. Ich klingelte trotzdem und ging schon mal nach oben. Vom vielen Putzen hatte die Treppe kaum noch Farbe. Unterwegs überfielen mich die Gerüche von mindestens fünf Hauptmahlzeiten, zwei bis drei davon mit Knoblauch.
    In der Tür stand eine gut erhaltene Mittvierzigerin, die sich von ihrem Taschengeld ein bisschen Blond fürs Haar geleistet hatte. Sie zuckte mit keiner Wimper, als sie mich sah. In diesem Viertel gab es solche Typen wie mich vielleicht öfter, als es den Krankenkassen lieb war.
    »Guten Tag, Frau Ipken. Erschrecken Sie nicht, ich hatte letzte Woche einen Autounfall«, sagte ich. »Wir haben vorhin miteinander telefoniert.«
    Sie trat wortlos zur Seite und zeigte mit dem Kinn auf eine rechts abzweigende Tür: »Mein Mann ist in der Küche. Wir sind gerade beim Essen.«
    »Ach, das tut mir aber leid. Soll ich vielleicht in zehn Minuten noch einmal wiederkommen?«
    »Wer ist denn da?«, tönte ein Bass aus der Küche.
    »Der Detektiv, von dem ich dir erzählt habe«, gab sie zurück.
    »Soll reinkommen!«, kommandierte der Bass.
    Peter Ipken brachte mit Bierbauch rund hundert Kilo auf die Waage, sah jedoch kräftig genug aus, um einen Araberhengst mit einem Schlag niederzustrecken. Über den muskulösen Oberkörper spannte sich ein schulterloses Unterhemd.
    »Wollen Sie mitessen?«, fragte er, nachdem er mir die rechte Hand gequetscht hatte.
    Ich dachte an das Schaschlik, das in meinem Magen rumorte, und lehnte dankend ab.
    »Aber ein Bier trinken Sie doch wohl mit?«
    Da konnte ich nicht Nein sagen.
    Margrit musste ein Bier holen und zusehen, wie sich die beiden Männer zuprosteten.
    Genau genommen aß nur noch er. Und sehr wahrscheinlich war es der dritte Teller, den er an diesem Abend verdrückte. Ich lächelte in die Runde und versuchte, nicht auf seine mahlenden Unterkiefer zu starren.
    »Margrit sagt, Sie wollen was von mir wissen.« Er schob ein Stück Schweinefleisch auf die rechte Mundseite.
    »Es geht um eine ganz alte Geschichte. Ich untersuche einen Todesfall, der vor zwanzig Jahren passiert ist. Damals waren Sie in dem Krankenwagen, der das Opfer abholte.«
    »Ist ja 'n Ding. Soll man gar nicht glauben, dass da heute noch einer Interesse dran hat.«
    »Mein Klient ist etwas nachtragend«, erklärte ich. »Er glaubt, dass es sich um einen Mord gehandelt hat.«
    »Ach was.« Ipken schob den Teller weg und zog den Pudding näher. »Mord!«
    »Ich bin mir noch nicht sicher, ob es einer war. Aber einige Ungereimtheiten gibt es in der Geschichte schon. Ich bin hergekommen, um von Ihnen zu hören, was Sie damals gesehen haben.«
    »Wer war es denn?«
    »Karl Pobradt. Bauunternehmer, wohnte damals in einer Villa in der Goldstraße.«
    »Namen sagen mir nichts. Auf welche Weise hat es ihn erwischt?«
    Ich gab eine möglichst medizinische Beschreibung der näheren Todesumstände und sah, wie sein Gehirn arbeitete.
    »Ich glaub, ich weiß, wen Sie meinen«, sagte er kauend. »War 'ne ziemliche Sauerei. Alles voller Blut und Gehirn, sogar die Decke.«
    »Er war noch nicht tot, als Sie ankamen, richtig?«
    »Nee, tot war er nicht, aber so gut wie.«
    »Hat er noch etwas gesagt, bevor er starb?«
    »Kein Wort. Konnte er auch nicht, weil er bewusstlos war. Der

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