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Und die Toten laesst man ruhen

Und die Toten laesst man ruhen

Titel: Und die Toten laesst man ruhen Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Juergen Kehrer
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weiter.«
    »Genau genommen hast du ja angefangen.«
    »Ich habe nur versucht, meine Haut zu retten. Ohne die Spur einer Chance zu besitzen.« Das war zwar übertrieben, aber vom Ergebnis her gerechtfertigt.
    »Musst du jetzt Anzeige erstatten?«
    Mein bereits angeknackstes Hochgefühl war plötzlich völlig verschwunden. »Das hatte ich sowieso nicht vor. Dazu hätten Sie mir kein Du anzubieten brauchen.«
    »Stell dich nicht so an!«, sagte sie mit heller Stimme. »Das hat nichts miteinander zu tun. Du warst mir von Anfang an sympathisch, ehrlich.«
    Ich guckte sie vorwurfsvoll an.
    »Bitte, mach jetzt kein Drama daraus! Glaubst du, ich habe es nötig, fremde Männer zu bezirzen, nur um meinen Bruder zu retten? Wenn er Mist baut, ist das sein Bier.«
    Die Steaks kamen und ich hieb lustlos in das Stück Fleisch. Was hatte ich denn erwartet? Dass sie mich anrief, weil sie mit mir ins Bett gehen wollte?
    In diesem Moment sah ich, wie Thomas auf unseren Tisch zusteuerte. Thomas war hauptberuflich Psychologe und schrieb nebenbei Filmkritiken für unser örtliches Stadtmagazin. Wenn ich in Gesellschaft einer schönen Frau war, kannte er keine Zurückhaltung. Bei weniger schönen übrigens auch nicht.
    »Wie siehst du denn aus?«, begrüßte er mich.
    »Betriebsunfall. Ich bin einem Sohn mit zu viel Mutterliebe begegnet.«
    Mit seiner schmalen Nase und den grau meliert-gelockten Haaren sah Thomas wie ein französischer Intellektueller aus, den es in die Provinz verschlagen hatte. Seit der Trennung von seiner Frau gab er sich dem gesellschaftlichen Leben in vollen Zügen hin. Auf diese Weise hatte er fast alle in Münster lebenden ausländischen Frauen kennengelernt. Und einen Großteil der deutschen dazu. Wie er das mit seiner Arbeit und den beiden Kindern, die er versorgen musste, vereinbarte, blieb mir ein Rätsel.
    »Willst du mich nicht vorstellen?«, fragte er, auf eine Stuhllehne gestützt. Ich hatte ihm absichtlich keinen Platz angeboten.
    »Das ist Katharina. Thomas. Entschuldige bitte, dass ich dich nicht einlade, aber wir haben etwas Geschäftliches zu besprechen.«
    »Oh, dann will ich nicht länger stören«, sagte er scheinheilig und trollte sich zur Theke.
    »Ich dachte, wir hätten das Geschäftliche bereits erledigt«, lachte Katharina.
    »Egal. Ich scheue Konkurrenz. Besonders, wenn sie besser aussieht als ich.«
    »Ohne Maske siehst du doch gar nicht so schlecht aus.«
    Ihr entging nicht, dass ihre Worte eine gewisse Wirkung auf mich hatten. »Die Schmollzeit ist also zu Ende?«
    Ich lächelte zurück. »Lass uns von was anderem reden. Was machst du, wenn du nicht gerade mit Detektiven essen gehst?«
    »Ich studiere Publizistik.«
    »Hast du Chancen, einen Job zu kriegen?«
    »Mehr oder weniger. Journalismus ist ja leider zu einem Modeberuf geworden. Alle arbeitslosen Lehrer, Diplom-Pädagogen und Soziologen wollen Journalisten werden, abgesehen von den Publizistik-Studenten. Mein Vorteil ist, dass ich seit einem Jahr als freie Mitarbeiterin für die Tageszeitung arbeite. Wenn ich das noch eine Zeit lang mache und dem Chefredakteur meine Augen gefallen, bestehen gute Aussichten, ein Volontariat zu bekommen.«
    Wir plauderten noch eine Weile über Journalismus und ich erzählte die halbe Wahrheit über meine Vergangenheit als Rechtsanwalt und meine Gegenwart als Briefmarkenhändler. Dann gab ich ein paar witzige Detektiv-Storys zum besten und schließlich war es Mitternacht.
    Wir zahlten. Beim Aufstehen zuckte ein stechender Schmerz durch meine Brust.
    »Was ist?«, fragte sie besorgt.
    »Ich musste gerade an deinen Bruder denken«, stöhnte ich. »Schon gut, ich will tapfer und männlich sein.«
    Thomas guckte uns nach, als wir eng umklammert aus dem Lokal wankten.
    Sie setzte mich vor der Haustür ab und sah mir gerade so tief in die Augen, dass meiner Fantasie genügend Spielraum blieb.
    »Übrigens, meine Mutter kommt schon in zwei Tagen zurück.«
    »Doch nicht etwa wegen mir?«
    »Nein, sie weiß zum Glück noch nichts von dir. Sie hat etwas Geschäftliches zu erledigen.«
    Ich rollte mich aus dem Auto.
    »Dann bis demnächst!«, rief sie fröhlich.
    Ich hob mühsam die rechte Hand.
    In der Nacht träumte ich davon, wie ich in einer Zwangsjacke von Merschmann abgeführt wurde, bis mir eine blonde Krankenschwester die Fesseln durchschnitt.

VI
     
     
    Am nächsten Morgen fühlte ich mich so fit wie eine ausgepresste Orange. Vorsatz hin, Vorsatz her, ich blieb erst mal bis zehn Uhr im Bett. Draußen

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