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Und die Toten laesst man ruhen

Und die Toten laesst man ruhen

Titel: Und die Toten laesst man ruhen Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Juergen Kehrer
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Mensch hat nur sieben Liter Blut, wissen Sie. Wenn Sie davon drei bis vier Liter abzwacken, ist Schicht. Außerdem hat er ja die Kugel direkt in den Kopf gekriegt. Da denken Sie nichts mehr.«
    »Der hätte nur als menschliche Pflanze überlebt«, fuhr Ipken fort. »Herzlungenmaschine, mindestens aber intravenöse Ernährung. Ist schon besser so, glauben Sie mir. Mancher Doktor hat mir gesagt: Warum sind Sie nicht noch eine Runde ums Krankenhaus gefahren? Dann hätten wir jetzt keine lebende Leiche, die uns die Betten stiehlt.«
    Ich nickte verständnisvoll und betrachtete die leere Puddingschüssel. »Und sonst? Ist Ihnen etwas aufgefallen? Etwas, das nicht zu einem Selbstmord passte?«
    »Nee. Außer, dass die Flinte auf dem Bett lag. Da wird er sie ja wohl kaum abgelegt haben, bevor er umfiel.«
    »Das hat der Nachbar auf sich genommen.«
    »Dann war das wohl eine der beiden Figuren, die im Flur hockten.«
    Ich hob die Augenbrauen. Ipken ließ gerade den halben Inhalt seiner Bierflasche durch die Kehle gleiten.
    »Sie meinen, es waren zwei Männer anwesend? Bislang habe ich nur von einem gehört.«
    »Es waren zwei, da bin ich ganz sicher. Haben noch gemault, dass wir so lange brauchen würden.«
    »War die Polizei schon da, als Sie kamen?«
    »Nee, die lassen sich immer Zeit in solchen Fällen. Müssen erst ihre Pommes aufessen. Sind ganz froh, wenn wir das Gröbste schon weggeräumt haben, bevor sie kommen.«
    »Sie haben die Polizei also nicht mehr gesehen?«
    »Wir hatten es eilig. War kein angenehmer Anblick, wenn Sie verstehen, was ich meine. Und er lebte ja noch, theoretisch zumindest.«
    Auf dem Nachhauseweg überfiel mich ein Schub. Es juckte am ganzen Körper, und sich bei hundertdreißig Stundenkilometern am rechten Bein zu kratzen, ist ein heikle Angelegenheit. Es musste wohl an dem verfluchten Schaschlik liegen.

VII
     
     
    Im Katasteramt gab ich mich als Rechtsanwalt aus. Für Normalsterbliche und Privatdetektive ist der Zugang zu den Grundbüchern etwas schwierig. Rechtsanwälte dagegen haben ein berechtigtes Interesse.
    Ich schäkerte ein bisschen mit einer Sachbearbeiterin, die so viel Erotik ausstrahlte wie Mutter Teresa zu ihren besten Zeiten. Dann hatte ich den Rücken frei und die Unterlagen einer Straße in Coerde für mich allein. Ottokar Runze hatte ein halbes Jahr nach Pobradts Tod mit dem Bau seines Hauses begonnen. Kein Beweis, aber ein handfestes Druckmittel für den Fall, dass ich die Runzes noch ein zweites Mal besuchen sollte.
    Von der Klemensstraße waren es nur fünf Minuten Fußweg unter den Arkaden bis zu meinem Laden. Der hartnäckig anhaltende Frühling hatte bei den Menschen erste Gemütsveränderungen bewirkt. Sie gingen lockerer, sahen weniger verbissen aus und guckten sich sogar gelegentlich in die Augen. Vor allem die jungen Frauen schienen wie aus dem Winterschlaf erwacht. Aber das konnte auch Einbildung sein.
    Willi stand hinter der Theke und sah besorgt aus. »Mein Gott, Georg, was ist denn mit dir passiert?«
    »Es ist eigentlich ein Wunder, dass ich noch lebe. Wenn man bedenkt, wie viele Mörder und Schlägertrupps hinter mir her sind.«
    Willi lächelte etwas verkrampft. »Du solltest dich zur Ruhe setzen. Ich stopfe dir dann die Opiumpfeife und du denkst über das Leben nach.«
    »Keine schlechte Idee, Watson. Nur noch dieser eine Fall und wir gehen gemeinsam auf eine Südseeinsel. Frauen, Opium und das Meer – ich schreibe meine Memoiren, die nach meinem Tod vom Fernsehen verfilmt werden.«
    Willi trat vorsichtig einen Schritt nach rechts und stützte sich dabei auf der Glasplatte ab. Ich sah ihn scharf an und er zuckte entschuldigend mit den Schultern.
    »Der Feuerlauf«, sagte ich.
    »Es sah völlig kinderleicht aus. Zehn Leute sind vor mir rübergegangen, ohne mit der Wimper zu zucken. Dann kam ich. Die ersten Meter bin ich geschwebt. Ich habe nichts von der Hitze gemerkt, ehrlich. Hätte ich nur nicht nach unten geguckt! Plötzlich war es aus. Ich bin noch zur Seite gesprungen, aber …«
    »Brandblasen?«
    Willi nickte. Wir guckten uns an und fingen an zu lachen. Zwei Selbstverstümmelungskünstler in der Manege des Lebens.
    »Komm, wir gehen ins Café Peimann«, sagte ich. »Das Leben ist einfach zu hart, um zu arbeiten.«
    »Und der Laden?«
    »Wegen Krankheit geschlossen.«
    Auf der Treppe begegnete uns Egon. Er fragte, ob wir seine Krücken haben wollten. Wir ließen ihn wortlos stehen.
     
    »Dann haben wir gesungen: Ein Feuer haben wir entfacht, um

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