und ein Geist aus alten Zeiten
Flame.
»Danke«, erwiderte Mum strahlend.
»Wunderschön«, sagte Dad und beugte sich zu ihr, um ihr einen Kuss auf die Wange zu geben.
Ottalie Cantrip küsste ihre Töchter der Reihe nach und wünschte ihnen eine gute Nacht.
»Habt viel Spaß!«, sagte Grandma noch und schon waren sie zur Tür hinaus.
Die vier Mädchen halfen ihrer Großmutter die Küche aufzuräumen, dann übten Flame und Flora auf ihren Instrumenten. Marina und Sky hatten schon vor dem Abendessen geprobt und beschlossen, sich ein Kostüm für die Halloweenparty zu suchen, die sie in der nächsten Woche feiern würden. Nachdem sie Archie ausgiebig geknuddelt hatten, gingen sie auf den Dachboden. Während sie die breite Mahagonitreppe hinaufliefen, dachte Marina an Mums rotes Kleid und dass sie es hoffentlich eines Tages würde tragen dürfen. Sky schnatterte vor sich hin.
»Ist es nicht toll, dass Mum uns erlaubt, eine Party zu feiern?«, sagte Sky. »Hm«, brummte Marina abwesend. Sie träumte davon, groß zu sein und sich so anziehen zu können wie Mum. Ihr schwarzes Haar würde sie hochstecken. Und dazu trage ich dann lange, baumelnde Ohrringe, dachte sie.
Sky plapperte weiter von Paradiesäpfeln und Kürbissen. Sie waren inzwischen im dritten Stock angekommen und wandten sich auf dem Dachboden nach rechts, Richtung Verkleidungszimmer. Marina öffnete die Tür, schaltete das Licht an, und sie gingen hinein.
»Ich will als Skelett gehen«, sagte Sky.
»Dann brauchst du eine schwarze Strumpfhose, einen schwarzen Pulli und eine schwarze Skimaske, die du über dein Gesicht ziehst«, meinte Marina. »Du kannst Knochen auf weiße Leuchtfolie malen und ausschneiden und sie mit doppelseitigem Klebeband auf den schwarzen Sachen befestigen.«
»Und wonach soll ich jetzt suchen?«, fragte Sky.
»Nach einer Skimaske oder einer schwarzen Wollmütze, die du bis zum Kinn runterrollen kannst und in die du Löcher für die Augen schneiden kannst.«
»Und wonach suchst du?«
»Ich weiß es noch nicht genau, irgendwas Gruseliges.«
Im Verkleidungszimmer ließ es sich herrlich stöbern, und die beiden Mädchen stürzten sich kopfüber in die nächstbesten Kartons und Truhen. Hin und wieder warf Marina in hohem Bogen etwas hinter sich. Sie hatten jede Menge Spaß.
Auf das, was dann geschah, waren sie in keinster Weise vorbereitet.
Sky hatte gerade eine Skimaske aus schwarzer Wolle gefunden und sich zu Marina umgedreht, um sie ihr zu zeigen. Im selben Moment schrie sie plötzlich lauthals: »Iiiih!«
Marina tauchte augenblicklich aus dem Karton auf, den sie durchwühlte, und fuhr herum.
Skys Gesicht war weiß wie ein Laken und ihr Mund stand offen wie bei einem Goldfisch. Sie deutete mit zitterndem Finger auf die andere Seite des Raumes.
Marinas Blick folgte dem Finger ihrer Schwester. »Teufel auch«, flüsterte sie. Auch aus ihrem Gesicht schwand jegliche Farbe.
Die zwei Schwestern konnten ihren Blick nicht von dem lösen, was sie da sahen.
In der Luft schwebte ein großer weißer Hut, der mit pinkfarbenen Blüten dekoriert war. Es war die Sorte Hut, die Frauen in den 1950 er Jahren getragen hatten.
Sky fühlte, wie ihr Herz aufgeregt pochte, und sie brachte keinen Ton heraus.
Marina war vollkommen gelähmt. Sie stand wie angewurzelt da und starrte den schwebenden Hut an. Ihr fiel auf, dass ihr Atem in der Luft zu kleinen weißen Wölkchen wurde. Sie zitterte. »Es ist plötzlich so kalt!«, sagte sie mit klappernden Zähnen.
Der weiße Hut mit den pinkfarbenen Blüten schwebte auf sie zu. Instinktiv drehte Marina ihren Kopf, um hinter sich zu blicken, und sie erkannte einen schwarzen Schatten an der Wand. Er zeichnete sich deutlich auf dem hellen Putz ab und schien von einem großen, wirbelnden, formlosen Etwas zu stammen. Da war jedoch nichts, was diesen Schatten hätte werfen können, nur der Hut, der in der Luft schwebte, genau vor ihren Gesichtern. Und er kam näher und näher.
Sky meinte, jeden Moment ohnmächtig werden zu müssen, so rasend schlug ihr Herz.
Marina war inzwischen völlig durchgefroren.
Dann, als der Hut schon beinah Skys Gesicht berührte, schoss er mit einem
Wuuusch
! davon und auf die Tür zu.
Die beiden Mädchen sahen ihm wie hypnotisiert zu, als er durch die offen stehende Tür aus dem Zimmer flog.
In diesem Moment fand Marina ihre Stimme wieder und ihre Glieder waren nicht länger wie gelähmt. »Hinterher!«, rief sie und rannte auf die Tür zu. Der Hut flog mit rasender Geschwindigkeit den Flur entlang
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