und ein Hund mit Herzklopfen
altmodisch. Ich kann mir nicht vorstellen, dass Mama darauf reinfällt. Schließlich ist sie ziemlich wählerisch. Außerdem steht keine Uhrzeit drin.
Aber ich kann es auch nicht besser und versage wieder völlig. Die Buchstaben tanzen vor meinen Augen wild durcheinander, und egal was ich aufschreibe, es wird immer nur ein doofer Rap daraus. Ist doch verrückt, oder?
Jonas grinst über das ganze Gesicht. „Ganz ehrlich: Ich kann mir nicht vorstellen, dass der Bürgermeister mit diesem Rap das Herz deiner Mutter zum Rasen bringt. Stichwort Umverlieben und so … Aber sonst ist er gar nicht mal schlecht. Ist eher was für Herrn Schiller.“
Leider hat er Recht. „Na, okay“, sage ich. „Dann lass mal deine Schnulze hören.“
Jonas räuspert sich ein paarmal, bevor er mit Vorlesen loslegt:
Liebste Klementine,
immer wenn ich dich anschaue, geht die Sonne auf. Dein Lachen ist lustiger als der schönsteTag, und die Stunden, in denen ich dich nicht sehe, sind langweiliger alsschlechtes Wetter. Ich warte auf dich in großer Sehnsucht unten am See. Mit dir zu paddeln ist schöner, als um die ganze Welt zu reisen.
Dein bester Freund
Ich starre ihn total baff an.
„Süß!“, quietscht Paula. „Absolut verschärft. Da würde ich mich sofort verlieben.“
Jonas’ Brief an Frau Dorn klingt ähnlich, zum Schluss schreibt er noch:
Liebste Grüße an die herzigen Beller, auf die ich mich freue wie ein Welpe.
Dein sehnsüchtiger Sebastian
„Bingo!“, sagt Kassia. „Absolut genial, Jonas. Damit um- und entlieben wir Mama und Sebastian hundertprozentig. Oder ich esse ein Kilo Sternenstaub.“
Wir verdonnern Jonas dazu, sich alle vier Briefe auszudenken. Kassia und Paula tippen sie auf Papas alter Schreibmaschine mit zwei Fingern ab, das sieht romantischer aus als ein Computerausdruck. Ich organisiere in der Zwischenzeit noch ganz schnell vier Briefumschläge und Marken aus Mamas Büro.
Mein Herz klopft wie verrückt, als ich die frankierten Briefe zusammen mit Jonas in den Spätbriefkasten werfe. Unser Plan muss einfach klappen. Sonst werde ich verrückt.
Ich habe kaum geschlafen. Sobald ich die Augen zumachte, geisterte der furchtbare Kuss von Sebastian und Mama in meinem Kopf herum. Deshalb bin ich als Allererste auf, obwohl Ferien sind. Ich fühle mich wie hundert oder mindestens wie zwanzig. Uralt also.
Mama werkelt bereits in der Küche herum, aber im Vergleich zu mir sieht sie aus, als hätte sie die Nacht auf einer Schönheitsfarm verbracht.
„Hallo, meine Süße!“, sagt sie überrascht. „Schon auf?“ Sie schaut mich durchdringend an. „Brütest du was aus, oder bist du nicht rechtzeitig ins Bett gekommen? Du hast ja ganz tiefe Ringe unter den Augen.“
Sehr nett, mir meine schlaflose Nacht unter die Nase zu reiben. Dabei ist sie daran schuld.
„Kein Wunder“, sage ich gereizt. „Ich habe kein Auge zugemacht.“
Mama schüttelt den Kopf und streichelt mir über den Scheitel, als wäre ich ein Hundewelpe in ihrer Praxis. „Ach Maxie“, sagt sie und dabei macht sie ein sehr glückliches Gesicht. „Hab einfach etwas Geduld. Bald wird alles anders und ich kann dir eines versprechen: viel, viel besser. Aber das ist noch ein kleines, süßes Geheimnis, und deshalb musst du dich noch ein Weilchen gedulden und durchhalten. Genieße doch einfach deine Ferien, den Sonnenschein, deine liebe Freundin Paula … Das Leben hat manchmal so schöne Überraschungen auf Lager, man muss einfach nur zugreifen.“
Ich starre Mama schockiert an. Sie klingt überhaupt nicht wie sie selbst, sondern hört sich gerade wie eine dieser ferngesteuerten Tussis in der Fernsehwerbung an, die einem ein neues Waschpulver oder Tabletten gegen Verdauungsbeschwerden andrehen wollen.
Genau deshalb kriege ich vermutlich genau in diesem Augenblick das, was man wohl als Nervenzusammenbruch bezeichnet.
„Ich will aber nicht, dass sich etwas ändert“, heule ich los wie ein verloren gegangenes Seehundbaby auf einer Eisscholle. „Ich will, dass alles so bleibt. Ich will, dass alles wieder so ist wie früher. Ich will sofort meinen Papa zurück. Wäre mein süßer Papa noch am Leben, wäre das alles nie passiert. Ich-will-das-alles-nicht! Ich-will-das-alles-nicht! Ich-will-das-alles-nicht!“
Ich trommle mit den Handflächen heftig auf dem Küchentisch herum und zapple dabei gleichzeitig mit den Füßen, als hätte ich einen epileptischen Anfall. Dabei schreie ich, ohne Luft zu holen.
„Maxie!“ Das ist nicht meine
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