und ein Kater mit Koepfchen
ich so nah dran bin, dass ich sicher treffe, schließe ich schnell meine Augen, damit ich wenigstens nicht sehen muss, was ich da gerade Oberpeinliches mache.
Linus’ Mund ist warm und weich, fast so wie der von Mama. Nur dass er nicht wie Mama riecht, höchstens nach ihren Himbeeren. Ich lasse meine Lippen auf seinen Lippen kleben und zähle bis zehn. Denn leider hat Kassia vergessen, mir zu sagen, wie lange es dauert, bis ein Kuss ein richtiger Kuss ist. Bei achteinhalb gebe ich auf, weil ich einen Krampf im Nacken kriege. Wie von einer Biene gestochen, schnelle ich zurück und reiße meine Augen auf.
Ulkigerweise sind Linus’ Augen immer noch ganz fest geschlossen. Bestimmt hat er sie vor Bestürzung schnell zugemacht. Er wackelt weder mit dem Kopf, noch rührt er sich sonst irgendwie.
„Fertig!“, rufe ich laut, weil ich plötzlich Angst kriege, dass er vor Schreck erstarrt ist.
„ WOOOOOW !“, sagt er, öffnet die Augen und atmet tief durch.
„ WOOOOOW !“ Dann streckt er den Kopf vor wie ein Vogel im Nest und sagt: „WOOOOOW! Diesen Test kannst du gleich noch mal machen.“
Das ist nicht wahr! Jungs kapieren wirklich gar nichts. Oder tun sie vielleicht nur so? Glaubt Linus allen Ernstes, der Kuss war für ihn bestimmt? Dummerweise strahlt er mich an wie eine Christbaumkerze und ich weiß gerade echt nicht weiter.
Kassia, wo bist du?, denke ich verzweifelt. Wer wie Kassia an Aliens glaubt, kriegt auch Gedankenübertragung hin. Kassia, haaaaaalloooo! Komm sofort her und kläre diese Sache für mich.
Im gleichen Moment geht die Zimmertür auf. Es ist aber nicht Kassia, die mich rettet, sondern Mama.
„Der Nächste bitte“, ruft sie fröhlich. „Kater Tatze bitte ins Sprechzimmer.“
Auch gut. Wenigstens bin ich nicht mehr mit Linus alleine.
Solange Mama seinen durchgeknallten Kater behandelt, kann ich mich auf die Socken machen und Kassia suchen. Sie muss mir dringend aus der Patsche helfen. Ich hatte ja gleich etwas gegen diese Kuss-Nummer. Man sollte einfach immer seinen Gefühlen trauen und nicht jeden Quatsch mitmachen.
„Und Maxie ist heute meine Assistentin! Sie hat ja einen besonders guten Draht zu Tatze“, schiebt Mama nach.
Och nee. Das passt mir jetzt gerade gar nicht.
„Stimmt!“ Linus strahlt. „Maxie ist eine perfekte Katzenflüsterin.“
Na super. Da sind sich ja mal wieder alle einig. Selbst Tatze öffnet ein Auge und zwinkert mir zu. Anscheinend schwebte bei meiner Geburt nur die Stress-Fee über meinem Kopf herum. Alle anderen waren vermutlich gerade im Urlaub oder hatten woanders mehr Spaß.
„Ist die Riesenschlange auch wirklich weg oder hast du sie zur Beobachtung hierbehalten?“, frage ich, als wir in Mamas Praxis kommen. Besorgt linse ich in die Käfige. Ich bin schon tierlieb, aber Schlangen sind nicht so mein Fall.
„Die Leute sind erst einmal wieder mit ihr nach Hause gefahren“, antwortet Mama. Sie öffnet das Fenster sperrangelweit, damit frische Luft hereinkommt. „Aber geheilt ist die Schlange noch lange nicht. Sie lässt sich furchtbar hängen. Richtig arm dran, das Tierchen.“
Weil ich bereits häufiger bei Mamas Therapiesitzungen dabei war, weiß ich Bescheid. „Setz dich mit Tatze schon mal hin“, befehle ich Linus geschäftig.
„Nein, das machst heute du, Maxie“, korrigiert Mama und lotst mich auf das Sofa. „Wir beginnen erst einmal mit ein paar Tests.“
Linus grinst breit und überreicht mir Tatze feierlich. „Tests sind immer gut, nicht wahr, Maxie?“
Grrrr. Da hat Kassia mir ja einen Bärendienst erwiesen. Kuss-Test!!! Hoffentlich hat sie auch einen guten Tipp, wie ich Linus wieder loswerde.
„So, Maxie“, sagt Mama. „Jetzt nimm mal Tatzes Vorderpfoten in die Hand und massiere sie vorsichtig. Das soll den Kater schön entspannen.“
Das tut es. Ihm fallen sofort die Augen zu und er döst eine Runde weiter.
„Mami, ich glaube, Tatze pennt so viel, dass er erst gar nicht zum Schnurren kommt“, wiederhole ich meine Theorie. „Das ist ungefähr wie bei mir: Bevor ich müde werde und zu gähnen anfange, bin ich schon längst eingeschlafen.“
Mama rollt mit ihrem Schreibtischsessel dicht an uns heran und beobachtet Tatze aufmerksam. „Hm. Du könntest gar nicht so Unrecht haben, Maxie. Massiere einfach noch eine Weile weiter.“
Während ich Tatze kraule, macht es sich Linus auf dem Fußboden gemütlich und ratzt wie sein Kater rotzfrech ein. Ist ja ein Ding. Sind Mama und ich die Einzigen, die hier arbeiten? Ich
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