Und Finsternis wird kommen
sich gerade aufhalten.«
Roses Erregung wuchs immer mehr. Die wissenschaftlichen Expeditionen auf den Hawkin-Planeten hatten immer große Schwierigkeiten, in die Gefühlswelt der Eingeborenen einzudringen, und jetzt saß sie einem Hawkin-Bewohner gegenüber, der ganz offen sprach, der alles erklären konnte. Sie vergaß ihren Verdacht auf Drake und mischte sich in das Gespräch ein.
»Können Sie auch von der Erde aus feststellen, wo Ihre Gefährten sich gerade befinden?«
»Über den Raum hinweg? Ich fürchte, nein. Aber Sie verstehen, wie wichtig diese Sache ist. Alle Besonderheiten der Erde müssen miteinander in Verbindung gebracht werden. Wenn das Fehlen dieses Wissens um den Aufenthaltsort der Mitbewohner erklärt werden kann, kann vielleicht auch die Immunität gegenüber der tödlichen Hemmung geklärt werden. Außerdem kommt es mir sehr seltsam vor, daß ein Gemeinschaftsleben zwischen intelligenten Wesen entstehen kann, die nicht über diesen ganz besonderen Gemeinschaftssinn verfügen, der auf den anderen Planeten herrscht. Wie kann ein Erdenbewohner feststellen, daß er sich eine ideale Familie geschaffen hat? Wie können Sie beide wissen, daß ein wirklich festes Band zwischen Ihnen besteht?«
Rose nickte. Wie sehr vermißte sie einen solchen Gemeinschaftssinn!
Aber Drake lächelte nur.
»Wir haben eben unsere eigenen Gefühle. Es ist wohl genau so schwer, Ihnen zu erklären, was wir unter dem Begriff ›Liebe‹ verstehen wie für Sie, uns die Bedeutung Ihres speziellen Gemeinschaftssinns auseinanderzusetzen.«
»Ich nehme es an. Aber sagen Sie mir ehrlich, Mr. Smollett – wenn Mrs. Smollett diesen Raum verläßt und einen andern betritt, ohne daß Sie es sehen, würden Sie wirklich nicht fühlen, wo sie sich befindet?«
»Nein. Wirklich nicht.«
»Erstaunlich«, sagte der Hawkin-Bewohner. Er zögerte, dann fügte er hinzu: »Bitte, fühlen Sie sich nicht durch die Feststellung beleidigt, daß ich das abstoßend finde.«
Nachdem sie das Licht im Schlafzimmer gelöscht hatte, ging Rose dreimal zur Tür, öffnete sie einen Spalt und starrte hinaus. Sie fühlte, daß Drake sie beobachtete. Mühsam unterdrückte Heiterkeit schwang in seiner Stimme mit, als er fragte: »Was ist los?«
»Ich möchte mit dir sprechen«, flüsterte sie.
»Hast du Angst, daß unser Freund uns belauscht?«
Rose kehrte ins Bett zurück, legte den Kopf auf sein Kissen und wisperte ihm ins Ohr: »Warum hast du Dr. Tholan über die tödliche Hemmung ausgefragt?«
»Ich interessiere mich für dein Fachgebiet, Rose. Das hast du dir doch immer gewünscht.«
»Sei nicht so sarkastisch«, zischte sie wütend und senkte dann ihre Stimme wieder zu einem Flüstern herab. »Ich weiß genau, daß es da irgend etwas gibt, was dich als Polizist interessiert. Was ist es?«
»Ich sage es dir morgen«, erwiderte er.
»Nein, jetzt.«
Er legte seine Hand unter ihren Kopf und hob ihn an. Sekundenlang dachte sie, er würde sie küssen, sie so leidenschaftlich küssen, wie das andere Ehemänner manchmal taten. Zumindest stellte sie sich vor, daß sie das manchmal taten. Aber Drake tat das nie, und er tat es auch jetzt nicht.
Er hielt ihren Kopf nur ganz nahe an den seinen und flüsterte: »Warum interessiert dich das so?«
Fast brutal umspannte seine Hand ihren Nacken. Sie versteifte sich und versuchte sich ihm zu entziehen. Ihre Stimme wurde lauter.
»Hör auf, Drake.«
»Ich will nicht, daß du Fragen stellst und dich in meine Angelegenheiten einmischt. Du hast deinen Job und ich meinen.«
»Aber mein Job birgt keine Geheimnisse.«
»Mein Job schon«, gab er zurück. »Aber eines sage ich dir. Unser sechsbeiniger Freund ist aus einem ganz bestimmten Grund in diesem Haus. Es ist kein Zufall, daß man ausgerechnet eine Biologin gewählt hat. Weißt du, daß er vor zwei Tagen bei der Kommission Informationen über mich eingeholt hat?«
»Soll das ein Witz sein?«
»Keineswegs. Es gibt Abgründe, von denen du keine Ahnung hast. Aber das ist mein Job, und ich diskutiere mit dir nicht weiter darüber. Verstehst du das?«
»Nein, aber ich werde keine Fragen mehr stellen, wenn du es nicht willst.«
»Dann wollen wir schlafen.«
Es war bereits Mittag, als Rose sich an den Schreibtisch setzte. Sie hatte gewartet, bis Drake und Tholan das Haus verlassen hatten, denn in ihrer Gegenwart konnte sie das Tonbandgerät nicht entfernen, das am gestrigen Abend an der Rückseite von Drakes Lehnstuhl die Unterhaltung aufgezeichnet
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