Und fuehre mich nicht in Versuchung
quält mich.
Vor allem, weil Sie erzählt haben, daß er sein Leben ändern wollte. Er wollte sich ändern, und ich gebe ihm dafür eine Tracht Prügel. Das ist doch gemein. Ich meine, es war nicht in Ordnung, was er getan hat, es war ungerecht, so über die Goldene Gans zu schreiben, aber inzwischen weiß ich, daß mir das nicht das Recht gegeben hat, ihn zu schlagen.
Und mit jedem Schlag …» – jetzt schluchzte Bauernberg richtig auf – «habe ich mich im Grunde selbst geschlagen.
Seit dieser Trauerfeier schlage ich mich selbst, glauben Sie das? Es klingt so absurd, aber ich stehe vor dem Spiegel und schlage mich mit voller Kraft.» Bauernberg weinte.
«Was glaubst du, wie gut ich dich verstehen kann!» dachte Susanne. Laut sagte sie: «Herr Bauernberg, Gott ist ein richtender, aber vor allem ein liebevoll richtender Gott. Sie können Ihr Herz vor Gott öffnen. Er weiß ja schon längst, was Sie beschwert und quält, und möchte Ihnen einen neuen Anfang schenken. Wenn Sie aufrichtig bereuen, dann ist Gott treu und gerecht und wird Ihnen Ihre Schuld vergeben. Möchten Sie vor Gott bekennen, was Sie getan haben?» Bauernberg nickte. «Aber wie soll ich das machen?» Susanne legte ihm leicht die Hand auf den Arm.
«Ich werde gleich für Sie beten. Dann haben Sie die Gelegenheit, still oder deutlich hörbar Ihre Schuld vor Gott zu bringen. Anschließend frage ich Sie, ob Sie Ihre Schuld bereuen. Wenn Sie mit Ja antworten, spreche ich Ihnen die Vergebung Gottes zu. Wollen Sie das?» Bauernberg nickte.
Susanne sprach ein Gebet, dann nickte sie Ingo Bauernberg zu. Der faltete die Hände und schloß nach kurzer Überlegung die Augen. Offenbar wollte er in der Stille beten. Tränen rannen ihm über das gerötete Gesicht.
Manchmal schien es, als ob ihn ein Krampf schütteln würde. Susanne wartete geduldig. Dann zeigte ihr ein tiefer Atemzug an, daß Ingo Bauernberg sein Bekenntnis vollendet hatte. Er schlug die Augen auf. «Bereust du, was du getan hast?» fragte Susanne. Bauernberg sagte leise
«Ja», seine sonst so kräftige Stimme war belegt. «Im Auftrag Jesu Christi spreche ich dich frei», sagte Susanne, legte Bauernberg die Hände auf den Kopf und zeichnete ihm ein Kreuz auf die Stirn. So verharrten sie noch einen Moment. Dann nahm Susanne ihre Hände zurück. Bauernberg ergriff ihre Rechte. «Danke, Frau Pfarrer. Danke!»
flüsterte er. «Jetzt,» seine Stimme gewann an Festigkeit,
«jetzt werde ich zum Polizeipräsidium gehen und mich den Folgen meiner Tat stellen. Es wird hart werden, aber in den letzten Tagen habe ich gelernt: Nichts ist schlimmer als ein schlechtes Gewissen und eine Schuld, die einem wie ein Mühlstein um den Hals liegt. Auf Wiedersehen, Frau Hertz, wenn ich diese Angelegenheit überstanden habe, komme ich bestimmt in einen Ihrer Gottesdienste.» Bauernberg stand auf. Susanne brachte kein Wort heraus. Sie nahm nun ebenfalls Bauernbergs Rechte und drückte sie fest. Sie wünschte ihm von Herzen, daß er mit sich ins Reine käme. Erst als er schon eine Weile gegangen war, keimten Zweifel in ihr auf. War Bauernbergs Reue nur gespielt gewesen? Wollte er durch sein Schuldeingeständnis der Körperverletzung davon ablenken, daß er Steffen Vogel nicht nur verprügelt, sondern auch getötet hatte?
Unruhig schloß Susanne die Tür der St. Johanniskirche ab.
Früher hatte sie sich meistens auf ihre Intuition verlassen können. Diese Fähigkeit schien ihr abhanden gekommen zu sein. Und sie konnte mit niemandem über ihre Zweifel sprechen. Das Gespräch mit Bauernberg fiel eindeutig unter das Beichtgeheimnis.
* * *
Arne hatte sich nicht auf die Wette mit Tanja eingelassen
– mit gutem Grund. Punkt 9.00 Uhr betrat Jacobi ihr Büro im Polizeipräsidium. Arne und Tanja hatten gerade die neuesten Ergebnisse der Suche nach Johannes Friedrich gesichtet. Allerdings gab es wenig Neues. Ein Johannes Friedrich hatte nach Auskunft der Behörden weder in einem Hotel in Bangkok noch in einem anderen thailändischen Hotel eingecheckt. Allerdings hatten die Behörden keinen Überblick über die kleinen Pensionen, die den Gast nicht nach dem Paß fragten, und solche gab es im Überfluß.
Johannes Friedrich hatte in Thailand nicht die geringste Spur hinterlassen. Arne schob gerade mißmutig die E-Mail-Ausdrucke zusammen, als Jacobi hereinkam. Der wartete geduldig, bis Arne seine Unterlagen sortiert hatte.
Ruhig und gelassen nahm er dann auf dem Stuhl Platz, den Arne ihm anbot. Welch ein
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