Und fuehre mich nicht in Versuchung
allerdings ab. Ich weiß nicht, was ich davon halten soll. Für die Körperverletzung hat er keine Konsequenzen zu befürchten. Steffen Vogel hat ihn nicht angezeigt, das ist sein Glück. Sein Geständnis hat für ihn keine juristischen Folgen. Es könnte also sein, daß er alles nur gestanden hat, um von dem Mord abzulenken. Was meinst du?» «Ich weiß es nicht», sagte Susanne. Das war ehrlich, und sie hatte nicht gegen das Beichtgeheimnis verstoßen.
Wohl war ihr dennoch nicht. War Bauernberg ein Mörder?
«Laufen wir noch einen kurzen Sprint bis zur Kapelle?»
* * *
Susanne lag am Boden. Der Ansturm ihrer Neffen Peter und Paul hatte sie buchstäblich umgeworfen. Die beiden Racker hatten sich ihrer geliebten Tante ohne Vorwarnung an den Hals geworfen. Zweimal 30 Kilo Kind können auch eine ausgewachsene Pfarrerin aus den Pumps heben. Doch ihren Neffen konnte Susanne nicht böse sein. Im nächsten Moment erkundeten die zwei schon die Wohnung. «Was ist denn das?» Peter hatte ein Kästchen in die Hand genommen und sofort geöffnet. Ein Teufelchen schoß heraus. «Das ist ein Springteufelchen», erklärte Susanne. «Ich habe es von einem Freund, der Teufel sammelt. Er hat es mir geschenkt, als ich ihn einmal in Bamberg besucht habe.» «War das dein Lover, und ist der Pfarrer?» fragte Paul direkt. Susanne lachte bei der Vorstellung und erklärte, daß Philipp Laubmann zwar Theologe, aber katholisch sei und an der Uni arbeite und sie ihn während des Studiums auf einer Sommerakademie kennen- und schätzen, nicht aber lieben gelernt habe. Peter ärgerte Paul mit dem Springteufelchen, und Susanne rettete die Erinnerung auf ein höheres Regalbrett. «So, ihr beiden, und jetzt kommen wir zum Tagesprogramm. Was haltet ihr von einem Ausflug in die Römerzeit zum Isistempel und einem anschließenden Eis? Dann könnten wir nach Ingelheim radeln und mit der Fähre über den Rhein setzen. Ja, und wenn ihr dann noch nicht fertig seid, gehen wir drei ins Kino.» Peter und Paul jubelten: «Tante Susanne, du bist die Größte.» Und Susanne ging wieder das Herz auf. Sie liebte ihre Neffen über alles und verzieh ihretwegen ihrem Bruder Sven sogar die nervige Mutter der beiden, ihre Schwä-
gerin Sabine. Ihr kleiner Bruder Sven, der sie inzwischen um zwei Haupteslängen überragte, arbeitete bei der Lufthansa als Pilot, wohnte in Frankfurt und ermöglichte es Susanne, ihre Leidenschaft für das Reisen günstig auszu-leben. Svens Ehefrau Sabine war eine – wie Susanne fand – ziemlich affektierte blonde Zicke. Sabine orientierte sich an Vogue und House and Gardens , schon das fand Susanne nachgerade unerträglich. Sie war allerdings auch ein wenig neidisch, weil sie Sabines Modelfigur wohl nie im Leben erreichen würde. Immerhin mußte sie das blöde Gehabe ihrer Schwägerin nicht täglich aushalten. Schlimm genug, daß die jetzt in der Tür stand und – wie Susanne fand – kritisch den Zustand der Wohnung musterte. Hatte sie auch richtig staubgewischt? Susanne zog unwillkürlich den Bauch ein, wie schaffte es Sabine bloß, immer wie eine Stabheuschrecke auszusehen und kein Gramm zuzulegen?
Susanne gab sich Mühe, ihre Schwägerin diese bösen Gedanken nicht merken zu lassen, und verabschiedete die Mutter der Zwillinge extrafreundlich und mit dem feier-lichen Versprechen, auf die Jungs ordentlich aufzupassen und sie abends persönlich und wohlbehalten in Frankfurt abzuliefern. Dann atmete sie tief durch und schloß die Tür hinter Sabine. «Wie wäre es mit Pommes und Würstchen zum Mittagessen?» fragte sie. Ohrenbetäubendes Geschrei war die begeisterte Antwort.
* * *
«Ich hasse sie!» Tanja knirschte mit den Zähnen und schleuderte einen ihrer weichen Jonglierbälle quer durchs Büro. «Meine Liebe, das ist kaum der goldene Weg zur Ausgeglichenheit.» Arne wiegte bedenklich sein Haupt.
«Du hast diese Jonglierbälle angeschafft, damit du zur inneren Balance findest, erinnerst du dich?» Tanja schleuderte auch den zweiten Ball. «Schaff ein Dart-Spiel an und bestück es mit einem Bild von Frau Klaas-Selter. Das wird mir Entspannung bringen. Jeder Pfeil ein Treffer.» Tanja nahm sich auch noch den dritten Ball vor. Dann ließ sie sich auf ihren Schreibtischstuhl sinken. «Ich weiß nicht, ob Sie und Herr Dietrich wirklich mit vollem Einsatz an diesem Fall arbeiten», ahmte sie die näselnde Stimme ihrer Vorgesetzten nach. «Offen gesagt, Frau Schmidt, denke ich darüber nach, den Fall einem Team zu
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