Und führe uns nicht in Versuchung
«Bei meiner Mutter natürlich. Aber im Ernst. Uns bleibt nichts anderes übrig, als alle Spuren weiterzuverfolgen. Hoffentlich bekommen wir bald Nachricht in Sachen Satanismus.»
* * *
«Wachberg Bestattungen, Helwich am Apparat. Frau Pfarrerin, wir haben da einen Sterbefall für Sie, möchten Sie notieren?» Susanne klemmte sich den Hörer zwischen Ohr und Schulter. «Augenblick, ich schreibe mit. Im Moment ist aber wirklich ein merkwürdiges Wetter, einen Tag heiß, am anderen kalt, kein Wunder, daß manche diese Wechsel nicht überstehen.» «Hm, also, am Wetter ist der nicht gestorben», der Angestellte des Bestattungsunternehmens hüstelte. «Woran denn?» erkundigte sich Susanne. «Haben Sie es denn nicht in der Zeitung gelesen? Ein gewisser Steffen Vogel, dessen Hand irgendein Irrer vor die 14-Nothelfer-Kapelle genagelt hat. Den Rest von ihm haben sie ja dann im Lennebergwald gefunden. Inzwischen ist die Leiche freigegeben. – Frau Hertz, ist irgendwas, sind Sie noch am Apparat?» «Schon gut», Susanne faßte sich. Sie wollte nicht ausgerechnet Wachberg Bestattungen auf die Nase binden, warum ihr Steffen Vogel recht gut bekannt war, zumindest seine Hand. Warum mußte der ausgerechnet evangelisch und ausgerechnet ihr Gemeindeglied sein, und warum mußte ausgerechnet sie die Vakanzvertretung in der Johannisgemeinde haben? «Wo hat er denn gewohnt?» fragte sie Herrn Helwich mit der leisen Hoffnung, Wachberg Bestattungen könnten sich in dem Gemeindebezirk geirrt haben. «Friedrichstraße in Gonsenheim», man hörte, wie Helwich blätterte. «Ja, die Friedrichstraße. Sie haben doch in der nächsten Woche die Beerdigungsvertretung für Gonsenheim, das hat mir das Pfarrbüro mitgeteilt?» Herr Helwich wartete. Susanne bestätigte resigniert. Hätte sie doch nie dieser unseligen Vertretung zugestimmt! Ungerührt fuhr Helwich fort: «Und evangelisch war er auch.
Also: Steffen Vogel, geboren 20.6.1952, gestorben zwischen dem 12. und dem 16. Mai. Nächster Angehöriger: Christian Vogel, Neffe, Telefon 9273584. Die Trauerfeier ist am nächsten Montag um 10.00 Uhr auf dem Hauptfriedhof, die Asche des Verstorbenen, so hat er es testamentarisch verfügt, soll dann vor Thailand im Meer verstreut werden. Fahren Sie selbst, Frau Pfarrerin, oder sollen wir Sie vor der Trauerfeier abholen lassen?» «Nein, ich fahre selbst, danke. Also, bis Montag dann.» Es knackte im Hörer.
* * *
«Jetzt muß ich ihn auch noch beerdigen, als ob es nicht reicht, daß ich seine Hand gefunden habe.» Susanne stampfte wütend durch den Lennebergwald. Es hatte Tage gedauert, bis Tanja Zeit für einen gemeinsamen Lauf fand, und Susanne hatte sehr gezögert und nicht gewußt, ob sie eine Wiederbegegnung mit der Kapelle und den Platanen würde ertragen können. Doch die Freundin hatte sie überzeugen können. Jetzt freute sie sich, zugestimmt zu haben. Ein Lauf tat ihr gut, und es tat auch gut, Dampf abzulassen: «Ich möchte wissen, was ER da oben sich dabei denkt.»
«Vielleicht ist es ja eine SIE», warf Tanja Schmidt ein, die leichtfüßig neben Susanne durch den Wald lief. «Ich habe eine Sie als Chefin und weiß, wie Frauen als Vorgesetzte sein können.» Susanne schnaubte. «Hör mir jetzt bloß mit feministischer Theologie auf, das hilft mir auch nicht weiter. Ob er oder sie, es ist eine Zumutung, diese Hand und den dazugehörigen Rest auch noch beerdigen zu müssen. Verrat mir doch mal, wie ich das Beerdigungsgespräch mit dem Neffen einleiten soll? ‹Guten Tag, mein Name ist Hertz, ich kenne ihren Onkel teilweise, von einer Begeg nung bei der 14-Nothelfer-Kapelle?›» Tanja lachte. Dann wurde sie ernst. «Beschwer dich nicht, ich muß seinen Mörder suchen, und das ist mit meiner Chefin im Nacken kein Vergnügen, lieber würde ich ihn beerdigen, wenn ich so was könnte, glaub mir. Dann hätte ich es am Montagnachmittag garantiert hinter mir. Ich dagegen weiß überhaupt nicht, wie lange ich an dieser Sache dranbleiben muß und ob ich es überhaupt je schaffen werde. Die Spur nach einem Mord ist in den ersten 48 Stunden heiß, danach wird’s schwierig, das lernt jeder auf der Polizeischule. Wir wissen bis heute nicht, wann Vogel genau gestorben ist, die 48 Stunden sind jedenfalls ewig vorbei und ich bin keinen Schritt weiter.» Vor Zorn setzte Tanja zu einem schnellen Sprint in Richtung Wasserturm Budenheim an. «Hey, da kann ich doch nichts dafür, mach mal einen Schritt langsamer», Susanne hechelte ihrer Freundin den Berg
Weitere Kostenlose Bücher