Und fürchtet keine Finsternis
der Dekan gebrauchte, zusammen mit kindischem Stolz und Starrköpfigkeit. Er benutzte diese Begriffe ziemlich oft in unseren kleinen Diskussionen. Die Hausarbeiten machten mir nichts aus; ich lag sowieso im Bett und ließ meine Blessuren heilen. Der Rest der Gruppe ging ein und aus: der offizielle Teil der Exkursion auf der Erde war zu Ende, und es gab zehn Tage Freizeit, bevor wir abflogen.
Damit blieben mir noch zehn Tage, und ich war immer noch 14 662,50 Pesas zurück.
B'oosa schalt mich ausgiebig in jener distanzierten Art aus, die ihm eigen ist. Ich glaube, er amüsierte sich über
die Anstrengungen, die ich auf mich genommen hatte, um zu versuchen, das Geld zurückzuzahlen. Er erklärte mir auch, daß der Dekan sich möglicherweise Sorgen um die schlechte Presse und den Verlust potentieller Studenten machte, wenn einer von uns sich bei einem unbeaufsichtigten Abenteuer selbst umbrachte.
Ich lag im Hotelbett, umgeben von Büchern, als B'oosa zusammen mit Pancho hereinspaziert kam. Die Bücher waren nur Tarnung; in Wirklichkeit wühlte ich mich durch meine Post. Es war eine Menge gekommen.
»Na, wieder da aus den großen Kulturzentren des Universums?« erkundigte ich mich.
»Sie sollten es wirklich mal irgendwann ausprobieren, Carl«, sagte B'oosa. »Vielleicht würde dann ein bißchen Wissen durch Ihren dicken Schädel dringen.«
»Liebend gerne«, sagte ich. »Aber wie ihr leicht sehen könnt, bin ich ein armer Invalide, ans Bett gefesselt. Vielleicht werde ich nie wieder gesund.«
Pancho warf ein Buch nach mir. Ich fing es mühelos auf. Mit meiner »schlimmen« Hand.
»Mich kannst du nicht zum Narren halten«, meinte er. »Ich habe gesehen, wie du letzte Nacht tiefe Kniebeugen gemacht hast, als du glaubtest, wir schliefen. Du hast bloß Glück, daß der Dekan nicht den Befehl gegeben hat, dich für die nächste Woche oder so angebunden zu halten.« Er ließ sich in einen Sessel plumpsen, und B'oosa ging zum Bett, hob einen der Briefe hoch.
»Noch mehr Bären?« erkundigte er sich.
»Nein«, schauderte ich. »Aber so ziemlich alles andere.
Was ist ein Löwe?«
B'oosa legte den Brief, den er in der Hand hielt, zurück aufs Bett. »Sind Sie sich sicher, daß Sie kein Maasai'pyanerblut in sich haben?« fragte er.
»Nein, ich ...« Dann merkte ich, daß er scherzte. »Warum?«
»Sie erinnern mich ein bißchen an meinen Bruder. Natürlich war er nicht ganz so groß wie Sie und ein wenig dunkler. Aber ihr hattet ein paar Dinge gemeinsam, als er in Ihrem Alter war.«
»Und was zum Beispiel?«
»Die Starrköpfigkeit. Einen gewissen Hang zur Selbstzerstörung. Kennen Sie das Wort >eunoto«
»Nein.«
»Auf Englisch könnten Sie >Initiationsritus< sagen, aber die Übersetzung wäre nicht ganz treffend.
Unser Planet wurde von Angehörigen des Maasai- Stammes besiedelt, von der Erde aus. Sie waren ein sehr ... konservatives Volk, auf der Erde, fast technikfeindlich, und bewahrten Traditionen, deren Ursprünge sich in der Vorgeschichte verlieren. Die auf der Erde tun das immer noch.«
»Ihr Volk rebellierte?«
Er nickte langsam. »So ist es; deswegen nennen wir unseren Planeten Neu Maasai, Maasai'pya. Als sie sich von den alten Bräuchen lösten, überprüften meine Vorfahren kaltblütig die Gesamtheit der Maasai-Tradition und modernisierten sie Punkt für Punkt, um die Kultur derart zu verwandeln, daß sie in die neue interstellare Gemeinschaft hineinpaßte.
Eine Tradition, die wir - wenngleich in radikal veränderter Form - beibehielten, war eunoto. Auf der Erde handelte es sich dabei um vier Tage streng überwachter Rituale, die den Übergang eines jungen Mannes von der Kriegerkaste zur Ältestenkaste kennzeichneten. Diese >Ältesten< waren nur siebzehn oder achtzehn Jahre alt, was die Realität widerspiegelte, daß die Kriegerkaste ein hoffnungsloser Anachronismus war. Es war Jahrhunderte her, seit sie jemanden gehabt hatten, gegen den sie kämpfen konnten.
Trotzdem war die Vorstellung einer rituellen Zeit, die den Übergang vom verantwortungslosen Jugendlichen zum verantwortlichen Erwachsenen - vom kivulana zum mwenyeji - kennzeichnete, erhaltenswert. Die Einzelheiten sind unwichtig, aber im wesentlichen dreht es sich darum, daß ein Jahr lang ein junger Mann weder Kind noch Bürger ist. Er entscheidet für sich selbst, wann sein eunoto-Jahr ist, irgendwann zwischen dem Eintreten der Pubertät und dem Alter von zwanzig. Es gibt einen besonderen Kodex für eunoto, der körperliche Erprobung
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