Und Gott sprach: Wir müssen reden! (German Edition)
keinen Mist gebaut, denke ich.
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Gott ist kooperativ
Die Adresse auf Abel Baumanns Visitenkarte gibt es nicht. Da, wo das betreffende Haus stehen müsste, klafft eine Baulücke. Erst bei genauerem Hinsehen erkenne ich, dass der Platz trotzdem bewohnt ist. Fünf oder sechs Bauwagen sind versteckt hinter Bäumen, Gestrüpp und Sperrmüll im Halbdunkel auszumachen. Eine Konstruktion aus Holz und Eisenschrott entpuppt sich als selbstgebauter Briefkasten. Die mit Filzstift aufgekritzelte Adresse stimmt mit jener auf Baumanns Visitenkarte überein. So wohnt also Gott. In einer Wagenburg auf einer illegalen Müllkippe. Ich hatte mir sein Reich etwas pompöser vorgestellt.
Das matte Licht meines Handydisplays leuchtet mir den Weg, als ich mich zu den Bauwagen vorarbeite und dabei zwei Ratten aufscheuche, die so groß sind, dass ich sie im ersten Moment für streunende Hunde halte. Glücklicherweise haben die beiden genauso viel Respekt vor mir wie ich vor ihnen. Bei Gelegenheit muss ich Gott mal fragen, was er sich bei manchen seiner Kreaturen eigentlich so gedacht hat.
Ein alter Mann mit schlohweißem Irokesenschnitt öffnet mir eine halbe Ewigkeit, nachdem ich an seinem Bauwagen geklopft habe. Er hat sich offenbar viel Zeit gelassen, um die knapp zehn Quadratmeter seiner Behausung zu durchqueren.
«Was’n los?», fragt er und streicht über seinen Unterarm, den ein tätowiertes Kreuz mit Flammen ziert.
«Hübsch», sage ich und deute auf das Tattoo. «Hat das was zu bedeuten?»
Er nickt. «Das bedeutet, dass ich mal jung und blöd war. Wollen Sie meinen Hintern sehen? Ich hab dieses berühmte Bild von Michelangelo draufstechen lassen, wo Gott Adam erschafft. Wenn ich den Arsch zusammenkneife, dann berühren sich ihre Zeigefinger.»
«Leider bin ich gerade etwas in Eile», weiche ich aus. «Wissen Sie zufällig, wo ich Abel Baumann finden kann?»
Der Irokese nickt. «Bei Freddy. Der hat heute ’ne Hochzeitsgesellschaft, und da wollte Abel zugucken.»
Die Wortwahl irritiert mich. «Zugucken? Heißt das, er ist auf einer Hochzeit, zu der er nicht eingeladen wurde?»
Der Irokese nickt. «Ja. Wie üblich, könnte man sagen.»
«Wo finde ich denn diesen Freddy?», frage ich beklommen. Ich ahne, dass Abels ungebetenes Auftauchen bei einer Hochzeit für Ärger sorgen könnte.
«Sind Sie etwa ’n Bulle oder so was?» Der Irokese verschränkt demonstrativ die Arme vor der Brust. Obwohl er die siebzig überschritten haben dürfte, spannen sich beachtliche Muskeln unter seinem Ringelpulli.
«Nein. Ich bin sein Therapeut», erwidere ich.
Das Gesicht des Irokesen hellt sich auf. «Ach, Sie sind das! Hab schon viel von Ihnen gehört», sagt er und ergreift freudig meine Hand. «Ich bin übrigens Heinz. Besser bekannt als Eisen-Heinz. Kraftakrobat. Abel und ich haben uns im Zirkus kennengelernt.» Mit der Wucht eines Schraubstocks drückt Eisen-Heinz mir herzlich die Hand. «Freddys Pizzeria ist nur fünf Minuten die Straße runter. Essen Sie lieber nichts, seine Frau kocht beschissen. Aber die beiden sind rasend nett.»
Tatsächlich macht der Laden einen sympathischen Eindruck. Freddys Frau Valentina bringt locker drei Zentner auf die Waage, wird von ihrem Mann, einem hageren Kerl mit zurückgegelten Haaren und Menjou-Bärtchen, aber trotzdem liebevoll meine kleine Gazelle genannt.
Abel Baumann sitzt am einzigen Tisch im Eingangsbereich, gleich neben der Theke. Vor ihm steht ein doppelter Grappa. Gewöhnlich warten hier die Pizzalieferanten auf ihren Einsatz, vermute ich. Interessiert betrachtet Baumann den Gastraum, wo eine vielleicht dreißigköpfige Hochzeitsgesellschaft gerade von Freddy und zwei Aushilfen mit Espresso, Digestifs und Tiramisu versorgt wird. Die Braut, eine kurvige Endzwanzigerin mit vollem, pechschwarzem Haar, packt ihrem schmächtigen Bräutigam großzügig Nachtisch auf den Teller, als ich mich neben Baumann setze.
«Eisen-Heinz hat mir gesagt, wo ich Sie finden kann.»
«Ich weiß», erwidert Baumann, ohne das Geschehen im Gastraum aus den Augen zu lassen.
«Stimmt. Hatte ich ganz vergessen. Sie haben ja sicher auch gewusst, dass ich kommen würde, richtig?»
Baumann nickt ernst und nippt an seinem Grappa. Ich bedeute dem vorbeihuschenden Freddy, dass ich auch gern so einen hätte und versuche zu ergründen, was mein Sitznachbar nur an dieser Hochzeitsfeier findet.
«Kennen Sie die beiden?»
Baumann schüttelt den Kopf.
«Kennen Sie hier sonst jemanden?»
«Außer
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