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Und Gott sprach: Wir müssen reden! (German Edition)

Und Gott sprach: Wir müssen reden! (German Edition)

Titel: Und Gott sprach: Wir müssen reden! (German Edition) Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Hans Rath
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beeindruckt von der Intelligenz meines Patienten. Es liegt nahe, dass ich mir sein familiäres Umfeld anschauen möchte. Um das zu vermuten, muss man kein Hellseher sein. Dass er mir seine richtige Vermutung aber als ein kleines Wunder verkauft, finde ich bemerkenswert.
    Baumann zuckt mit den Schultern. «Keine Ahnung. Nennen Sie es, wie Sie wollen. Ich persönlich mache mir nicht viel aus Religion. Außerdem beten die meisten Leute sowieso nur deshalb, weil sie hoffen, dass ich ihre Probleme löse oder Ihnen Plätze im Paradies besorge.»
    Er greift neben sich, fördert einen kleinen Koffer zutage und stellt ihn auf den Tisch. «Ich dachte, wir nehmen den Nachtzug und fahren morgen Abend wieder zurück. Dann sparen wir das Hotel.»
    Er sieht, dass ich verwundert auf seinen Koffer blicke.
    «Ich habe nur das Nötigste eingepackt», erklärt er. «Ich dachte, wir kaufen Ihnen am Bahnhof eine Zahnbürste und das bisschen Krimskrams, was man sonst noch so braucht. Wir können aber auch noch mal bei Ihnen zu Hause vorbeifahren, wenn Ihnen das lieber ist.»
    «Nein, ist schon okay», sage ich und denke daran, dass Ellen wahrscheinlich immer noch in meiner Wohnung auf mich wartet. Wie ich sie kenne, gibt sie nicht so leicht auf. Der Nachtzug nach München kommt mir also in gewisser Hinsicht sogar gelegen.
    «Schön», fasst Baumann zusammen. «Freut mich sehr, dass Sie dabei sind.»
    Eher nebenbei betrachtet er das Geschehen an der Festtafel. Ich folge seinem Beispiel und sehe eine Hochzeitsgesellschaft beim Schlemmen. Nichts Besonderes. Eine Weile schauen wir schweigend zu.
    «Wen genau werden wir denn in München treffen?», frage ich.
    «Ich habe einen Sohn», erwidert Abel. «Er weiß, dass ich mich in Therapie begeben habe. Und er möchte Sie gern kennenlernen.» Abel macht eine Kunstpause. «Und dann ist da noch die Mutter.» Er überlegt einen kurzen Moment. «Wir haben nicht das beste Verhältnis, würde ich sagen.»
    «Sind Sie geschieden?», frage ich.
    «Wir waren nie verheiratet. Unser Kind ist das Ergebnis einer Affäre. Es ist bei ihr und ihrem Mann aufgewachsen.»
    Ich komme nicht dazu, mir über Baumanns Familienbande Gedanken zu machen, denn in diesem Moment ist ein dumpfer Schlag zu hören, gefolgt von einem lauten Klirren. Gläser kippen um, eines fällt zu Boden, wo es zerplatzt und seinen Inhalt über die Terracottafliesen verteilt. Atemlose Stille. Selbst die noch anwesenden Kinder geben keinen Laut von sich.
    Eine junge, drahtige Frau mit kurzen Haaren und einem schlichten Abendkleid ist für diese Stille verantwortlich. Sie hat gerade mit ihren kleinen harten Fäusten auf den Tisch gehauen und damit das Geschirr zum Klingen und die Gäste zum Verstummen gebracht.
    Nun steht sie mit vor Zorn gerötetem Gesicht und zusammengekniffenen Lippen da. Sie stützt sich mit ihren immer noch geballten Fäusten auf der Tischplatte ab. Das Weiß an den Knöcheln ist hervorgetreten. Die Anspannung der jungen Frau vibriert im Raum, weshalb niemand wagt, das Schweigen zu brechen.
    Schließlich tut sie es selbst.
    «Ich kann das nicht», bringt sie mühsam hervor. «Ich kann nicht mit ansehen, wie du meine Schwester heiratest, als würde es unsere Liebe überhaupt nicht geben.»
    Die Köpfe drehen sich abrupt zum Bräutigam, zugleich ist ein ebenso erstauntes wie entsetztes kollektives Einatmen zu vernehmen.
    Der Bräutigam sitzt vor seinem absurd großen Teller mit Tiramisu. Er hat kurz vor dem Ausbruch der jungen Frau den Löffel in den Mund gesteckt und ist in dieser Haltung erstarrt. Jetzt, wo alle Augen auf ihn gerichtet sind, zieht er in Zeitlupe den Löffel aus dem Mund und schluckt schwer. Er wirft einen vorsichtigen Blick zu seiner Frau, die ihn in ebenso banger wie hoffnungsvoller Erwartung ansieht.
    «Das ist eine Lüge», sagt er mit heiserer Stimme. Es klingt wie: Lass uns später darüber reden, Schatz.
    Die Braut blinzelt, ihre Augen bekommen einen feuchten Glanz.
    «Glaub mir! Sie lügt», bekräftigt er ängstlich. «Es ist nichts zwischen uns gewesen. Rein gar nichts! Bitte, Liebling, ich …»
    Er verstummt abrupt, denn seine frischgebackene Ehefrau hebt abwehrend die Hände. Ihr Gesicht wirkt nun wie versteinert. Wahrscheinlich ahnt sie, dass ihre Schwester die Wahrheit sagt. Niemand versaut eine Hochzeit ohne triftigen Grund.
    Die Schwester lässt sich schluchzend auf ihren Stuhl sinken. «Was bist du nur für ein Schwein!», stößt sie hervor. «Keine drei Tage ist es her, da hast du noch in

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