Und Gott sprach: Wir müssen reden! (German Edition)
Menschheit überzeugen, wenn selbst mein Psychotherapeut mich für einen Spinner hält.»
Ich erwidere Abels Blick, schweige aber. Es ist ein außerordentlich intelligenter Schachzug von meinem Patienten, dass ich ihn nur dann therapieren kann, wenn ich zuvor seine Wahnvorstellungen als real akzeptiert habe.
Er lächelt. «Denk dran, Jakob. Ich kann deine Gedanken lesen.»
«Das ist gut», sage ich. «Dann bist du ja im Bilde.»
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Gottes Geliebte
«Du kommst spät.» Die Frau, die uns die Tür öffnet, ist Mitte vierzig, hat dichtes, pechschwarzes Haar und stark geschminkte Augen. Sie trägt ein blaues Dirndl, das ihre beträchtliche Oberweite eindrucksvoll zur Geltung bringt. An ihrem Hals hängt ein ebenfalls übergroßes Kruzifix, gehalten von einem schlichten Lederriemen. Es sieht ein bisschen aus, als würde der Gekreuzigte ihr in den Ausschnitt schielen.
«Die Bahn hatte Verspätung», erwidert Abel lapidar.
«Na, dann willkommen», sagt die Frau und tritt zur Seite, um uns hereinzulassen.
Essensgeruch hängt in der Luft. Der Flur ist vollgestopft mit Devotionalien: Kreuze, Heiligenbilder, Rosenkränze und diverse Madonnen. Die Figuren stehen auf passgenauen Sockeln, was dem Flur die Anmutung eines überdimensionalen Setzkastens verleiht. Am Ende des Ganges kann ich einen Hausaltar erkennen, der von zwei armdicken Kerzen illuminiert wird.
«Und Sie müssen Abels Seelenklempner sein», begrüßt mich die Frau herzlich. «Ich bin die Maria. Wird höchste Zeit, dass sich endlich mal jemand um den Abel kümmert.» Sie deutet auf ein kleines, bronzenes Weihwasserbecken an der Wand. «Wenn der Herr Doktor sich vielleicht kurz bedienen möchte …»
«Vielen Dank. Aber ich bin nicht sehr gläubig.»
«Das gehört sich hier aber so», sagt sie barsch.
Ihr Tonfall duldet definitiv keine Widerrede, also tauche ich überrumpelt meine Fingerspitzen ins Weihwasserbecken und bekreuzige mich hastig. Abel, der die Prozedur ebenfalls hinter sich bringen muss, ist sichtlich amüsiert.
«Hier hat sich aber jemand viel Mühe gegeben», bemerke ich beim Anblick der akkurat ausgerichteten Heiligenfiguren.
«Das war alles der Josef, mein Mann», erklärt sie und geleitet uns in die Küche. «Der Josef ist nämlich Zimmermann.»
Auf dem Tisch stehen eine Schüssel mit Weißwürsten, ein Korb mit Salzbrezeln und ein großes Glas süßer Senf. Mit den Worten «Ich hol uns rasch noch Bier und Limonade» verschwindet Maria.
Ich werfe Abel einen kritischen Blick zu. «Die beiden heißen Maria und Josef? Das ist’n Witz, oder?»
«Nein. Wieso?», erwidert Abel. «Wir sind hier in Bayern. Komisch wäre es eher, wenn die beiden anders heißen würden.»
«Und er ist … Zimmermann?»
«Was hast du gegen diesen ehrenwerten Beruf einzuwenden?»
«Und haben Maria und du vielleicht zufällig auch einen Sohn, den Josef quasi adoptiert hat?», frage ich.
«Zufällig ja. Wobei Maria gleich drei Kinder von drei verschiedenen Männern hat. Josef ist in keinem Fall der leibliche Vater. Er hat es irgendwann akzeptiert, dass seine Frau regelmäßig von anderen Männern schwanger wurde. Wie du unschwer erkannt hast, sind die beiden sehr gläubig. Er glaubt, dass Gott ihn prüfen will. Sie glaubt, dass Gott ihr andere Männer schickt, weil Josef unfruchtbar ist.»
«Oh. Das wusste ich nicht. Tut mir leid.»
«Muss es nicht», entgegnet Abel. «Sie liegt falsch. Josef ist nicht unfruchtbar, die beiden passen nur biologisch nicht gerade perfekt zusammen. Josef hatte mal eine Affäre mit der Nachbarin. Er hat mit ihr ein Kind gezeugt. Aber das weiß er nicht, weil sie es ihm verschwiegen hat.»
«Und euer Sohn heißt Jesus», rate ich.
«Christian», korrigiert Abel.
«Was ist mit Christian?», will Maria wissen. Gerade hat sie die Küche betreten.
«Wir sind mit ihm verabredet», antwortet Abel. «Später.»
Sie nickt, scheint aber nicht eben begeistert von unserem Plan zu sein. Sie stellt die mitgebrachten Flaschen auf den Tisch. «Limo oder Bier?»
«Limo», antworten Abel und ich synchron. Die letzte Nacht steckt uns noch in den Knochen.
Die Küchentüre knarrt, und ein gedrungener Kerl mit riesigen Händen betritt den Raum. Er trägt eine Lederhose und ein kariertes Hemd, aus dem graue Brusthaare hervorschauen. «Grüß Gott, miteinander!»
«Ich grüß dich auch, Josef!», erwidert Abel sonnig.
Marias Mann nickt in die Runde, setzt sich an den gedeckten Tisch und bekreuzigt sich. «Wir wollen
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